: Aufschlag für Aufschnitt
Einen Qualitätspfennig extra für besseres Fleisch fordern NRW-Umweltministerin Höhn und die grüne Agrarexpertin Höfken. Künast und Eichel lehnen Sonderabgabe auf Fleischwaren ab
BERLIN taz/dpa ■ Trotz heftiger Ablehnung seitens der Bundesregierung mehren sich die Forderungen nach einem extra Qualitätspfennig für Fleisch und Wurst. Die agrarpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Ulrike Höfken, hatte eine Sonderabgabe vorgeschlagen, um „Handel, Produzenten und Verbraucher an den enormen Folgekosten von BSE“ zu beteiligen. Auch Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin Bärbel Höhn sprach sich gestern für eine Abgabe aus: „Wenn wir jetzt nicht handeln und die Bauern entlasten, ist der nächste Lebensmittelskandal programmiert.“
Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne), Finanzminister Hans Eichel (SPD), SPD-Fraktionsvize Michael Müller und Grünen-Chef Fritz Kuhn lehnten den Aufschlag am Wochenende kategorisch ab. „Eine einseitige Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher ist mit mir nicht zu machen“, stellte Künast klar. Ihr Staatssekretär, Matthias Berninger (Grüne), sagte der taz: „Die Neigung, für jedes Problem eine neue Steuer zu erfinden, löst bei den Verbrauchern zu Recht eine gewisse Skepsis aus.“
Über die Finanzierung der BSE-Folgekosten müsse in Ruhe geredet werden. „Es hilft nichts, über Ankündigungen in der Zeitung Diskussionen zu führen.“
Eine Sonderabgabe hält Berninger für falsch, weil die Verbraucher sagen würden: „Wir sind über Jahre bei BSE veräppelt worden, und jetzt sollen wir auch noch die Kosten für die Beseitigung des Problems tragen.“ Ein solcher Vorschlag finde „wenig Akzeptanz in der Bevölkerung“, weiß Berninger, der bis Januar als Haushaltsexperte der Grünen tätig war.
Dabei hatte Höfken versichert: Für die Verbraucher summierten sich die Belastungen durch die Sonderabgabe „höchstens auf ein paar Pfennige pro Woche“. Würden die BSE-Folgekosten auf diese Weise gedeckt, wären auch die Mittel im Agrarhaushalt wieder für die von allen gewollte Agrarwende frei. Bislang sieht es so aus, dass das Geld fast ausschließlich in die Tiermehl- und Kadaverbeseitigung gesteckt werden muss. Daher ist unklar, wie die Bundesregierung den gewünschten Strukturwandel überhaupt herbeiführen will. „Es muss zuerst einmal die Frage geklärt werden: Wo soll die Landwirtschaft hingehen?“, forderte gestern Onno Popinga, Agrarökonom an der Gesamthochschule Kassel.
Der Agrarwissenschaftler Ralf Bokermann von derselben Hochschule äußerte Sympathie für den Höfken-Vorschlag. Es sei nachvollziehbar, sagte Bokermann, „die Verbraucher, die Fleisch nachfragen, zu belasten statt alle Steuerzahler. So wird das ja auch beim Benzin gemacht.“
Der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Gerhard Timm, findet: „Eine Steuer würde dem Verbraucher signalisieren, dass gute Qualität ihren Preis hat.“
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte unterdessen ein „nationales Hilfsprogramm“ für die von der BSE-Krise betroffenen Landwirte. Bisher gebe es keinerlei konkrete Hilfen von der Bundesregierung. Künasts Staatssekretär Berninger hielt dem entgegen, dass sich Berlin mit 420 Millionen Mark an den BSE-Folgekosten beteilige. „Wir haben gesagt, wir übernehmen ein Drittel der Kosten für die Entsorgung des Tierfutters. Die Länder müssten nur sagen: Okay, wir übernehmen auch ein Drittel, die Landwirte ein weiteres Drittel. Dann wäre dieses Problem schon mal gelöst.“ Berninger hofft auf eine einvernehmliche Lösung beim Treffen der Agrarminister aus Bund und Ländern am Mittwoch in Potsdam.
Den originellsten Beitrag zum Thema lieferte gestern bereits der neue bayerische Verbraucherschutzminister Eberhard Sinner: „Wenn wir alle ein Kilo mehr Rindfleisch essen würden, müsste es zur Massenvernichtung gar nicht erst kommen“, schlug er vor. LUKAS WALLRAFF
wirtschaft und umwelt SEITE 7
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