Statt Pflege wird verwahrt

Parteien und Verbände fordern für Altenheime bessere Qualitätsstandards. Seit Oktober 1998 wurden in der Hauptstadt 18 Pflegeheime geschlossen. Gutes Personal ist schwer zu finden

von JULIA NAUMANN

Überforderte Pfleger, schlechtes Essen, gammeliges Interieur – mit der Pflege alter Menschen steht es in der Hauptstadt nicht zum Besten. Nachdem in der vergangenen Woche in Spandau ein Altenheim wegen erheblicher Mängel schließen musste, fordern Parteien und Verbände jetzt eine bessere Qualitätssicherung.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Monika Helbig, forderte gestern, dass künftig alle Heime regelmäßig ohne Ankündigung überprüft werden sollten. Die jetzige Regelung ist ihr zu dürftig: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) checkt derzeit stichprobenartig Heime und ambulante Einrichtungen unter anderem auf ihren Hygienezustand, die Pflegepläne, den Ausbildungsstand der MitarbeiterInnen und das Essen. Die Besuche müssen jedoch kurzfristig angekündigt werden. Außerdem kommt der MDK vorbei, wenn MitarbeiterInnen oder Angehörige sich beschweren. Im vergangen Jahr wurden 150 Einrichtungen überprüft.

Des Weiteren geht die Heimaufsicht, die seit Januar dieses Jahres aus der Gesundheitsverwaltung in den Bezirk Tempelhof-Schöneberg verlagert wurde, Beschwerden nach. 12 MitarbeiterInnen sollen so die Unterbringung von 26.000 pflegebedürftigen Menschen in rund 300 Heimen überprüfen. Der Landespflegeausschuss, in dem unter anderen die Kasse und Träger sitzen, hatten kritisiert, dass die Heimaufsicht zu wenig tätig werde. Die zuständige Amtsleiterin wollte sich gestern nicht äußern.

Die AOK, die Sprecherin der Pflegekassen ist, sagte gestern, dass die Prüfungen des MDK tatsächlich ein „sehr heterogenes Bild“ ergäben. Seit Oktober 1998 wurden in Berlin 17 stationäre Einrichtungen aufgrund von Mängeln geschlossen. Auch die Ärztekammer wies darauf hin, dass sich die Situation im Pflegebereich in den vergangenen Jahren verschlechtert habe. Da die Krankenhäuser die Tendenz hätten, immer früher zu entlassen, um zu sparen, werde der Pflegebereich immer stärker belastet, sagte eine Sprecherin. Auch das Personal sei häufig nicht qualifiziert. Der Präsident der Ärztekammer, Günter Jonitz, forderte ein Qualitätssiegel, um vergleichbare Standards einführen zu können.

Gute PflegerInnen zu finden ist indes schwer: „Der Markt in Berlin ist leer“, sagte der Sprecher der Arbeitgeber- und Berufsverband privater Pfleger e. V., Torsten Sambale. Viele PflegerInnen beschlössen nach der Ausbildung, Medizin zu studieren oder in andere Bundesländer zu gehen. Dort sei die Bezahlung vielfach besser.

Eine bessere Pflege sollen zwei Gesetze bringen, die derzeit auf Bundesebene diskutiert weden. So soll ein Qualitätssicherungsgesetz Pflegestandards definieren und es dem MDK ermöglichen, unangemeldet zu prüfen. Das Heimgesetz soll außerdem verschärft werden, um die Einrichtungen seniorengerechter ausstatten zu können.