Polizei hörte mit

Das bayerische LKA hörte Jugendliche ab, die sich gegen rechts engagierten. Doch der Verdacht war unbegründet

MÜNCHEN taz ■ Sie fühlten sich wie Kriminelle: Zwischen 1997 und 1998 sind 32 Jugendliche, die sich in Passau gegen rechts engagierten, von der Staatsanwaltschaft München und dem bayerischen Landeskriminalamt überwacht worden. Der Grund: Die Jugendlichen, Mitglieder der Antifaschistischen Aktion Passau, wurden der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch verdächtigt.

Der Paragraf wurde zur Bekämpfung von Terrorgruppen, Rauschgifthändlern, Menschenschmugglern und Erpresserbanden geschaffen. Doch trotz eifriger Überwachung musste die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nun einstellen: Die Jugendlichen, so ihr Fazit, haben nicht illegal gehandelt.

Höhepunkt der Polizei-Aktionen war im Mai 1998 eine bundesweite Hausdurchsuchung in 39 Wohnungen, unter anderem in Berlin, Göttingen, Hamburg – und in Passau. Die Beamten nahmen Computer, Bankauszüge, Briefe, Adressbücher und Disketten mit. In Passau sollte sich ein Mädchen ausziehen und wurde als „rote Fotze“ beschimpft. Ein Vorwurf, den die zuständige Münchener Staatsanwaltschaft nicht bestätigen kann. „Wir waren ja nicht vor Ort. Allerdings kann ich mir ein solches Vorgehen nicht vorstellen“, sagt Staatsanwalt August Stern.

Besonders empört sind die Eltern über die Telefonüberwachung ihrer Kinder. „Hier wurden die Grundrechte junger Leute verletzt. Es wurden Wohnungen per Video überwacht und Bewegungsprotokolle erstellt“, sagt Werner Kraus vom Komitee Kritische Öffentlichkeit.

Die Münchener Staatsanwaltschaft rechtfertigt sich: „Wir habe ermittelt aufgrund des Anfangsverdachts nach 129. Das berechtigte uns auch zu Durchsuchungen und Telefonüberwachungen, die stattgefunden haben. Auch Telefone von Minderjährigen darf man abhören“, so Staatsanwalt Stern. „Das Beweismaterial, hauptsächlich Computer, wurde sichergestellt.“ Weil es aber keinen hinreichenden Tatverdacht gab, wurde das Verfahren eingestellt. Sieben Straftaten wurden den Jugendlichen nachgewiesen – von untergeordneter Bedeutung, wie die Staatsanwaltschaft einräumt.

„Die Justiz steht jetzt vor dem Scherbenhaufen der Ermittlungen, die den Steuerzahler bestimmt mehrere hunderttausend Mark gekostet haben“, sagt Kraus, dessen Tochter selbst betroffen ist. Finanzieller Schaden sei auch vielen Antifaschisten entstanden – sie haben das beschlagnahmte Material teilweise erst vor wenigen Wochen zurück erhalten.

Nach dem Gesetz steht den zu Unrecht Verdächtigten Schadenersatz zu. Die Anträge der Betroffenen werden derzeit von der Münchener Staatsanwaltschaft geprüft. NICOLE JANZ