Battlefield unknown

Absurdes Kammerspiel unter Fremdenlegionären: Claire Denis'„Beau Travail“  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Schon am Anfang von Beau Travail steht ein Befremden. Eine Gruppe kahlgeschorener Männer mit nackten Oberkörpern führt in der Wüste meditative Bewegungen aus. Tai-chi, mutmaßt man und wundert sich, dass der Tag von Fremdenlegionären so beginnen soll. Dann Bilder aus einer Disko, Tarkans „Simarik“ und Tanzende – ein universelles Bild, in das sich die Legionäre ohne weiteres einfügen.

Claire Denis, die Regieassistentin bei Rivette, Costa-Gavras, Wenders und Jarmusch gewesen ist, bevor sie 1989 mit ihrem Debüt Chocolat überraschte, hat den Film für eine Reihe des Fernsehsenders Arte angefertigt. Unter dem Titel „Terres étrangères“ waren die FilmemacherInnen aufgefordert, ihre Vorstellung vom „Fremden“ wiederzugeben. Denis erinnerte sich an ihre Jugend in Dschibuti und den exotischen Stamm der Fremdenlegionäre dort, Überbleibsel der französischen Kolonialzeit: In ihrem Alltag sollte die Geschichte angesiedelt sein.

Das Befremden angesichts der Exerzitien der Truppe ist auch das der Bevölkerung Dschibutis, immer wieder fängt die Kamera deren Belustigung beim Zuschauen ein. Doch nicht nur die Richtung des exotistischen Blicks erfährt in Beau Travail eine Umkehrung. Vielmehr wird die Funktionsweise dieses Blicks überhaupt zerlegt. Kaum, dass die Kamera den Blick auf das eigentümliche Amalgam aus Exotik und Erotik freigibt, das sie selbst den halbnackten, muskulösen Körpern der Männer anheftet, ist – immer einen kleinen Moment zu früh für eine Befriedigung der Schaulust – die Sequenz schon zu Ende. Ähnlich verfahren Denis und ihre Kamerafrau Agnes Godard mit der Landschaft Dschibutis: Jedem Schwelgen folgt ein Verzicht.

Beau Travail ist zugleich die Geschichte einer befremdlichen sozialen Konstellation. Die Fremdenlegion ist für die beteiligten Männer zu einer Art Familie geworden. Der sich erinnernde Sergeant Galoup vermag, auch wenn er den Erzähler der Geschichte abgibt, das Absurde der Handlung, die sich vor dem Auge der ZuschauerInnen abspielt, nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Für nichts scheinen die Legionäre in der glühenden Hitze durch den Sand zu robben, Gräben und Mauern zu überwinden, zu marschieren, für nichts bügeln sie stundenlang Bügelfalten in ihre Uniformen, und die Khakiunterwäsche müssen sie auch nur deshalb täglich mit der Hand waschen, weil sie für nichts geschwitzt haben und durch den Sand gerobbt sind.

Und für nichts, lediglich einer kleinen Eifersucht wegen, setzt Galoup den jungen Sentain einer Schikane nach der anderen aus. Der Kommandant, den Galoup bewundert, hat sich für den Jüngeren erwärmt. Denis hat die Geschichte an Hermann Melvilles Novelle Billy Budd angelehnt, für ihren Film jedoch nicht die Perspektive des Kapitäns eingenommen, sondern die desjenigen, der dem Konkurrenten nach dem Leben trachtet und deshalb schließlich die Truppe verlassen muss.

Die ästhetisierende Darstellung der halbnackten Männerkörper, eingezwängt zwischen Disziplin und Ritualen, das Tänzerische, das Godard ihren Übungen abgewinnt, und die von Eifersucht durchzogene Dreierkonstellation haben den Film letzten Herbst ins Programm der Lesbisch-Schwulen Filmtage befördert. Tatsächlich drängt sich ein homoerotischer Subtext auf, wenn man sich von ähnlichen Konstellationen in reinen Männergesellschaften, namentlich militärischen, und den üblichen Diskursen, die sich um sie ranken, dazu inspirieren lässt.

Denis' Film setzt aber nicht an dem Punkt des Befremdlichen an, das der Männerbund hat, um ihn sogleich wieder einem Vertrauten einzuverleiben. Im Gegenteil: Beau Travail irritiert nachhaltig eine Fundierung des Handelns von Galoup in homosexuellem Begehren. Eve Kosofsky Sedgwick richtete in den Anfangsjahren der Queer Studies an Melvilles Billy Budd die Frage, ob die Novelle das schwule Begehren als Motor der Handlung und somit als etwas quasi Natürliches voraussetze oder ob nicht vielmehr der Männerbund als eine soziale Konstellation gezeichnet wird, die dieses Begehren im selben Moment aus sich hervortreibt und unterdrückt.

Doch Denis rückt das fragliche Geschehen einen kleinen entscheidenden Schritt aus den Fängen dieser Frage heraus, nicht zuletzt der Perspektivverschiebung wegen: In den Selbstbeschreibungen Galoups kommt – anders als in der Erzählung des Käpitäns von Melville – Homosexualität nicht vor. Das sexuelle Begehren der Legionäre ist nicht „unterdrückt“, wenn überhaupt, richtet es sich in dem Film erfolgreich an die Frauen der einheimischen Bevölkerung, als mysogyn werden sie nicht gezeichnet. Denis gibt einfach einen Blick frei auf ein absurdes Geschehen, die Frage nach dem Sinn verweist sie an die ZuschauerInnen – nicht ohne diejenige Antwort zu dekonstruieren, die das Befremden am einfachsten bannen könnte. „I am what you say I am“, um es mit Eminem zu sagen, dessen Homophobie und Sexismus ja nun wirklich verdächtig sind. Aber lassen wir das.

morgen, 19 Uhr, 9.2., 21.15 Uhr, Metropolis; noch bis zum 21.2., Termine siehe Programm