Tunesische Machtspiele

TUNIS taz ■ Tunesiens Präsident Zine el Abidine Ben Ali ist von einer Öffnung seines Land weit entfernt. Wer aus der Reihe tanzt, bekommt es auch weiterhin mit den Schergen des seit dreizehn Jahren amtierenden ehemaligen Staatssicherheitschefs zu tun. Zuletzt musste Jalel Zoghlami diese Erfahrung machen. Sein Vergehen: Er hatte ohne amtliche Genehmigung die erste Ausgabe seiner Monatszeitschrift Kwasa el Karama („Bogen der Würde“) herausgebracht. Grünes Licht von oben hätte er sowieso nicht bekommen, denn auf dem Titelblatt prangte in großen Lettern: „Ben Ali: 13 Jahre sind genug!“

Am Samstagnachmittag wurde Zoghlami in Tunis von fünf Männern abgepasst und verprügelt. Schwer verletzt gelang ihm die Flucht zu einem nahe gelegenen Autohändler. Dort schloss er sich ein und wartete auf seinen Anwalt Mokhtar Trifi, den Vorsitzenden der Tunesischen Menschenrechtsliga (LDTH). Ein Arzt wies Zoghlami ins Krankenhaus ein, er müsse sich mindestens zwei Wochen erholen. Zoghlami ist mittlerweile in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, um zu erreichen, dass die Verantwortlichen für den Übergriff zur Rechenschaft gezogen werden.

„Die tunesischen Autoritäten sind einen Schritt weitergegangen in ihrer Repression, indem sie die Journalisten körperlich angreifen“, bewertet Robert Menard, Generalsekretär der Pariser Zentrale von Reportern ohne Grenzen (RsF) den Vorfall. Zoghlami ist aber nicht der erste Journalist, der mit dem langen Arm des Präsidenten Bekanntschaft macht: Im vergangenen Jahr wurde ein Kollege der schreibenden Zunft für mehrere Tage von der Geheimpolizei entführt, ein anderer Journalist wurde angeschossen.

Unter den Opfern der Repressionen befindet sich auch Zoghlamis Bruder, Taoufik Ben Brick. Der auf Menschenrechtsthemen spezialisierte Tunesien-Korrespondent der französischen Tageszeitung La Croix machte letztes Jahr durch einen Hungerstreik von sich reden, mit dem er letztendlich seine Ausreise nach Frankreich erzwang. Bereits damals wurde Zoghlami von der Polizei hart angepackt und nach einem Besuch seines Bruders verhaftet. Im Gegenzug schauten die Beamten nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe von Kwasa el Kamara bei Ben Brick vorbei. Sie umstellten am 26. Januar mehrere Stunden das Haus des mittlerweile nach Tunis zurückgekehrten streitbaren Journalisten. REINER WANDLER