Kein Mietvertrag für Flüchtlinge

Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften vermieten nicht an Ausländer mit befristetem Aufenthalt. Grüne prüfen Verstoß gegen EU-Richtlinie

von MARINA MAI

Mehrere landeseigene Wohnungsbaugesellschaften weigern sich, an Ausländer mit einem befristeten Bleiberecht zu vermieten. Besonders rigide ist die Haltung der GSW. „Weil wir nur Dauermietverträge abschließen und Bürger mit begrenzter Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigen können, mussten wir Ihrer Mandantschaft leider eine Absage erteilen“, heißt es in einem Schreiben der landeseigene Wohnungsbaugesellschaft an die Rechtsanwältin Anja Lederer. Diese sucht eine Wohnung für ein iranisches Flüchtlingsehepaar.

„Als Vermieter brauchen wir die Sicherheit, dass unsere Mieter in absehbarer Zeit noch da sind. Das ist bei Ausländern mit befristetem Aufenthaltsrecht nicht der Fall“, so die Begründung von GSW-Sprecher Andreas Moegelin. Wendet die GSW diese Richtlinie konsequent an, dann sind nicht nur Flüchtlinge von einer Wohnmöglichkeit ausgeschlossen. Auch ausländische Studenten und Dozenten, Inhaber einer Green Card, Saisonarbeitskräfte und ausländische Ehepartner Deutscher in den ersten drei Ehejahren haben nur ein befristetes Aufenthaltsrecht.

Auch andere gemeinnützige Wohnungsgesellschaften verhalten sich skeptisch gegenüber Flüchtlingen. Die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn, die mit 13 Prozent berlinweit den höchsten Leerstand aufweist, führt Einzelfallprüfungen durch. „Wir klären, ob es sich bei den Wohnungssuchenden voraussichtlich um jemanden handelt, der länger oder nur kurze Zeit hier wohnen wird, und entscheiden im Einzelfall“, sagt eine Sprecherin. Auch die landeseigenen Gewobag und Gesobau betonen, sie würden den Einzelfall prüfen.

Anwältin Lederer hat andere Erfahrungen gemacht. Ihre iranischen Mandanten haben eine Aufenthaltsgestattung über fünfeinhalb Monate, die aller Voraussicht nach verlängert wird. Lederer: „Dennoch verweigerte die Gewobag einen Mietvertrag mit der Begründung, grundsätzlich nicht an Asylanten zu vermieten.“ Bei der Gesobau, so Lederer weiter, sei man erst zu einer Vermietung bereit gewesen, nachdem die Anwältin sich bei der Unternehmensführung beschwert hatte.

Die bündnisgrüne Wohnungspolitikerin Barbara Oesterheld ist empört über die Verweigerung der städtischen Gesellschaften. „Wenn diese Unternehmen nicht bereit sind, eine politische Forderung und soziale Aufgabe ihres Eigners, des Landes Berlin, zu übernehmen, brauchen wir uns über die Diskussion über den Verkauf dieser Unternehmen nicht zu wundern.“ Die Sprecherin von Bausenator Peter Strieder (SPD), Petra Reetz, verweist hingegen auf die Eigenständigkeit der Wohnungsbaugesellschaften.

Die aus Potsdam stammende bündnisgrüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter will jetzt von der Europäischen Kommission prüfen lassen, ob das Verhalten der städtischen Unternehmen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im europäischen Recht verstößt. Diese Prüfung hält auch das Büro der Bundesausländerbeauftragten für sinnvoll. „Möglicherweise liegt zumindest im Falle der GSW eine mittelbare Diskriminierung von Ausländergruppen vor, die sanktioniert werden kann, sobald dieser Grundsatz in nationales Recht umgesetzt ist“, sagt Mitarbeiter Bernd Knopf. Das soll bis Mitte 2003 der Fall sein.

Die GSW schickt unterdessen Wohnungssuchende wie das genannte iranische Ehepaar zum Sozialamt. „Das Amt hat die Möglichkeit, sie mit Wohnraum zu versorgen“, sagt Sprecher Moegelin. Was er nicht sagt: Das Sozialamt vermittelt an Flüchtlinge lediglich Plätze in Sammelunterkünften. Darüber hinaus kann das Amt nur Bescheinigungen ausstellen, nicht aber Wohnungen verteilen.

Besonders pikant ist dabei, dass das Abgeordnetenhaus jüngst beschlossen hat, dass geduldete Flüchtlinge in preiswerte Wohnungen umziehen dürfen, um Geld für teure Wohnheime zu sparen. Für die iranische Familie, für die Rechtsanwältin Lederer eine Wohnung sucht, gilt eine besondere Regelung: Sie soll wegen einer schweren Erkrankung der Frau aus der Sammelunterkunft ausziehen. In der Preisklasse, für die das Sozialamt die Miete übernimmt, bieten allerdings fast ausschließlich landeseigene Unternehmen Wohnungen an.