Wahids Anhänger schlagen zurück

In Indonesien verlagert sich der politische Machtkampf immer mehr auf die Straße. Die Schlägertrupps des unter Korruptionsverdacht stehenden Präsidenten Abdurrahman Wahid drohen der Opposition jetzt mit „Krieg“

BANGKOK taz ■ Zehntausende Anhänger des bedrängten indonesischen Präsidenten Abdurrahman Wahid haben gestern in Ostjava randaliert. Ohnmächtig sahen Polizisten und Soldaten zu, als die Zentrale der oppositionellen Golkar-Partei in der Hafenstadt Surabaya in Flammen aufging. Mit Tränengas und Warnschüssen versuchten die Uniformierten die Menge daran zu hindern, Provinzparlament und Regierungsgebäude zu stürmen. „Wenn Wahid stürzt, wird das Land vernichtet werden“, verkündeten Transparente der Demonstranten.

Die Proteste in Ostjava hatten in der vergangenen Woche begonnen, als das Parlament in Jakarta Wahid mit Absetzung drohte, falls er sich weiter weigere, über seine Rolle in zwei Finanzskandalen Rechenschaft abzulegen. Seitdem kam es in der Region täglich zu Kundgebungen: Wahid-Anhänger verwüsteten oppositionelle Parteibüros, blockierten Straßen und besetzten einen Hafen, der Java mit der Insel Bali verbindet. Es ist kein Zufall, dass es im Osten der mit über 100 Millionen Menschen dicht besiedelten Insel rumort: Ostjava ist Heimat des Präsidenten. Hier ist auch die „Nahdlatul Ulama“ (NU, Gemeinschaft der Religionslehrer) besonders stark. Wahid war vor seinem überraschenden Sprung an die Macht im Herbst 1999 NU-Chef.

Zur NU mit angeblich 30 Millionen Mitgliedern gehören zahlreiche Jugend- und Studentenorganisationen. Wie fast alle politischen Gruppen hat sie eine paramilitärische Organisation, die sich „Banser“ nennt. Ihre Mitglieder tragen Uniformen und warnen vor einem „Krieg“, falls ihr Idol stürzt. Die NU ist eng verwoben mit Wahids „Partei des nationalen Erwachens“, die im Parlament aber nur elf Prozent der Sitze hat.

Die Wut der Demonstranten richtet sich besonders gegen die Golkar-Partei, die einst dem alten Diktator Suharto diente. Sie ist immer noch mächtig und stellt die zweitgrößte Fraktion. Ihr Vorsitzender, Akbar Tanjung, hat den einflussreichen Posten des Parlamentssprechers und fordert seit Tagen den Rücktritt Wahids. Auch Büros der kleinen „Nationalen Mandatspartei“ wurden angegriffen. Ihr Chef Amien Rais leitete früher eine rivalisierende Muslim-Organisation. Er ist Sprecher des höchsten politischen Gremiums, der Beratenden Volksversammlung, die den Staatspräsidenten wählt und ihn auch absetzen kann. Rais zählt inzwischen zu Wahids schärfsten Gegnern. „Banser“-Mitglieder drohen ihm mit dem Tode, falls er sich nach Ostjava wagen sollte.

Wahid hat drei Monate Zeit, um dem Parlament zu antworten. Seine Regierung bröckelte gestern weiter, als er Justizminister Yusril Mahendra feuerte. Der Minister, Chef einer kleinen muslimischen Partei im Koalitionskabinett, hatte öffentlich den Rücktritt Wahids verlangt. Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri, die als Nachfolgerin gehandelt wird, hält allerdings noch zu ihm, ebenso wie die Armeeführung.

Die Stimmung in Jakarta ist äußerst gespannt. Obwohl Wahid seine Anhänger gestern erneut aufforderte, „Zurückhaltung“ zu bewahren, ist die Furcht groß, dass der Funke der Gewalt von Ostjava auf andere Provinzen und die Hauptstadt überspringt. JUTTA LIETSCH