Ein Fall für die Staatsanwaltschaft

Weil Geheimakten des hessischen Verfassungsschutzes über Joschka Fischer bei der Presse landeten, werfen SPD und Grüne der Koch-Regierung Rechtsbruch vor. Die Staatsanwaltschaft sucht nun nach einer undichten Stelle in der Regierung

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Wer hat illegal Informationen aus einem Verfassungsschutzbericht über eine Demonstration gegen das spanische Generalkonsulat in Frankfurt an die Presse lanciert, an der im September 1975 auch der heutige Außenminister Joschka Fischer teilgenommen haben soll? Diese Frage stellten gestern in Wiesbaden der Exlandesjustizminister Rupert von Plottnitz (Grüne) und der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Manfred Schaub.

Und sie gaben auch gleich die Antwort: Der „eklatante Rechtsbruch“ müsse der Landesregierung angelastet werden. Denn nur in „Regierungskreisen“ könnten geheime Akten des Verfassungsschutzes kursieren, die eigentlich schon vor zehn Jahren hätten vernichtet werden müssen. Jedenfalls dann, wenn es sich um Personenakten handele. Aus rechtsstaatlichen Gründen „streng verboten“ sei auch die von der Landesregierung angekündigte Weitergabe der Verfassungsschutzakte „Revolutionärer Kampf“ an die Staatsanwaltschaft, sagte Rupert von Plottnitz. „Die Landesregierung missachtet eiskalt Recht und Gesetz, um politischen Gegnern zu schaden und den Schein einer strafrechtlichen Belastung gegen sie zu fingieren.“

Die Staatsanwaltschaft leitete gestern ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt ein – wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen.

Schaub verwies auf das noch gegen die CDU/FDP-Landesregierung unter Roland Koch laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Wiesbaden wegen der Weitergabe von Informationen aus einem geheimen Verfassungsschutzbericht zum NPD-Verbot an die Presse im vergangenen Jahr. Die Staatsanwaltschaft und die ermittelnde Behörde – in diesem Fall das Bundeskriminalamt – könnten sich jetzt in der Staatskanzlei, bei den Ministerien und auch beim Verfassungsschutz „die Klinke in die Hand geben“, höhnte Schaub.

Bei ihrer Bewertung der Vorgänge sehen die beiden Oppositionspolitiker den hessischen Datenschutzbeauftragten Friedrich von Zezschwitz auf ihrer Seite. Der hatte nach einem Gespräch mit Innen-Staatssekretär Udo Corts (CDU) alle Landtagsfraktionen angeschrieben und seine Sicht der Dinge dargelegt. Der Datenschutzbeauftragte hält schon die Weitergabe eines anonymisierten Verfassungsschutzberichtes etwa an die Staatsanwaltschaft, wie von Corts in dem Gespräch avisiert, für einen eindeutigen „Verstoß gegen die Regelungen des Gesetzes über den hessischen Verfassungsschutz und gegen das Gesetz zum Datenschutz“. Erst recht dürften keine personenbezogenen Daten an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden – und an die Öffentlichkeit schon gar nicht. Schon ein an die Medien gerichteter Hinweis der Landesregierung auf die Existenz solcher Berichte sei ein Verstoß gegen geltendes Recht. Innenminister Volker Bouffier (CDU) liegen „keine Erkenntnisse“ über einen gesetzeswidrigen Umgang mit der Akte „Revolutionärer Kampf“ vor.