Bitte geraten Sie in Panik!

Baisse in der Branche: Es gibt zu viele Anlegermagazine für Laien. Und zu wenig Laien, die noch Vertrauen in die Börse hätten. Der Erfolg der Finanztitel steht und fällt mit Dax und Nemax

von TOBIAS MOORSTEDT

Helmut Markwort, Freund markiger Sprüche, fand anlässlich der Einführung seines Anlegermagazins Focus Money wieder mal die richtigen Worte: „Da steht drin, wie man Geld verdient.“

Mit „Börsentipps, Analysen und Insiderinformationen“ wollten die Münchner ihren Lesern zu Erfolgen an der Börse verhelfen. Und auch die Erwartungen an den eigenen Erfolg waren Markwort-typisch, nämlich optimistisch: „Marktführer“ wolle man auf „längere Sicht“ in einem Marktsegment werden, das im Zuge des deutschen Börsen-Booms unglaubliche Wachstumsraten und Anzeigeneinnahmen versprach. Und das bei einer attraktiven Zielgruppe: Annähernd jeder zweite Leser der Börsenmagazine ist unter 40 Jahre alt, verfügt über Abitur und Studium. Das Konkurrenzformat Die Telebörse aus dem Hause Holtzbrinck startete vor Jahresfrist nicht minder vollmundig: „Wir sind nicht angetreten, um die Nummer zwei oder drei zu werden“, sagte Chefredakteur Roland Tichy.

Aber das war vor einem Jahr. Und von einer Marktführerschaft sind Focus Money oder Die Telebörse auch nach „längerer Sicht“ meilenweit entfernt. Die Auflage des Burda-Produkts stagniert seit gut zehn Monaten bei rund 148.000, Die Telebörse rangierte zuletzt bei mageren 127.357 Verkäufen. Selbst Branchenprimus Börse Online brach im vierten Quartal 2000 mit knapp 90.000 Exemplare fast ein Drittel der verkauften Auflage weg. Ähnlich schlimm erwischte es das Magazin Der Aktionär, dessen Auflage von 141.878 im ersten Quartal 2000 auf 106.347 im vierten Quartal sank: In der Branche herrscht Katerstimmung. Nach Kursstürzen am Neuen Markt und dem Niedergang einstiger Börsen-Lieblinge wie Intershop und EM.TV hat das Interesse der Deutschen an Zauberwörtern wie „Online-Trading“, „Neuemission“ oder „Shareholder-Value“ spürbar nachgelassen. Verkauften die marktbestimmenden Magazine (Focus Money, Die Telebörse, Der Aktionär, Euro am Sonntag, Börse Online) im zweiten Quartal 2000 noch eine kombinierte Auflage von gut 925.000 Exemplare, so waren es im vierten Quartal nur noch 800.000. Ein Rückgang von mehr als zehn Prozent, der sich nicht nur durch die zunehmende Enge in dieser Marktnische erklären lässt. Zwar erwarten Experten einen „erneuten Aufschwung, wenn die Börse wieder Fuß gefasst hat“. Doch wann das sein wird, das kann im großen Lotteriespiel der Finanzmärkte niemand sagen.

Untermauert wird die These von der Koppelung der Auflagenzahlen an die Kursentwicklungen von Dax und Nemax durch eine Anfang Januar vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) veröffentlichten Studie. „Die Situation am Aktienmarkt beeinflusst die Verkaufszahlen der Börsenmagazine durchaus“, sagt Dirk Czarnitzki vom ZEW. Der im Mediengeschäft eigentlich heilige Satz „Bad news are good news“ gelte keineswegs für den Markt der Anlegermagazine. Die Leser wollen wissen, wie man schnell reich wird – nicht wie man es vermeidet, arm zu werden.

Reinhild Keitel vom Schutzverband der Kleinanleger steht Anlegermagazinen schon lange kritisch gegenüber. „Mit Rücksicht auf die Auflage geben diese Zeitschriften Kaufempfehlungen auch zu einem Zeitpunkt, an dem es für Laien vielleicht am besten wäre, gar nicht an der Börse zu agieren.“ Mahnungen zur Besonnenheit auf dem Börsenparkett sucht man dort vergeblich. Stattdessen: Stapel von Geldscheinen und die perfekte Visualisierungen des Markwort’schen Leitsatzes vom schnellen Reichtum durch Lesen. Dass bei diesem Kampf um Leser und Aufmerksamkeit die reine Wahrheit auch mal unter den Tisch fallen kann, liegt auf der Hand. Doch „wenn es um den Job geht“, sagt ein ehemaliger Redakteur, „bleibt das eigene Gewissen auch mal auf der Strecke“.

Negativ auf die Auflagenzahlen dürften sich vor allem Meldungen über illegale Insidergeschäfte von Redakteuren der Anlegermagazine auswirken. Immer wieder wird Wirtschaftsjournalisten vorgeworfen, sie hätten ihr Insiderwissen zum eigenen Vorteil genutzt oder bewusst Aktien aus dem eigenen Depot empfohlen, um den Kurs zu puschen. Im aktuellen Börse Online übrigens gibt’s in einem Kommentar eine Börsen-Binsenweisheit zu lesen, die sich auch auf die Wirtschaftsblätter selbst anwenden ließ: „If you panic, please panic first.“