Die Spur der Steine und Äpfel

Wie Anna zu Maria kam und andere Geschichten: Drei neue Reiseführer von und über Frauen führen zwischen Mythen, Politik und Küchen direkt über die Magie unserer Ahninnen mitten in den Bauch Frankreichs und des Baskenlandes

Wenn Frauen eine Reise tun, dann haben auch sie was zu erzählen. Deshalb gibt es schon lange einen Frauenreiseführer für New York, einige für die entlegensten Ecken des Erdrunds und für die Insel Lesbos natürlich sowieso. Dass der Führer über „Die magischen Stätten der Frauen“ von Martina Schäfer in Zeiten der Weltflucht weiblicher Großstadtsingles und ausbrechender Mütter kommen würde, war so sicher, wie es der Tiefseetauchertourismus zum Wrack der Titanic seit ihrem filmischen Comeback ist.

Schäfer nimmt mit ihrem Buch Frauen an die Hand und begleitet sie quer durch Europa vom St. Brendons Pilgerweg in Irland über die Schwaneninsel auf Rügen zu den sesshaften Steinzeitfrauen in Tschechien. Genaue Wegbeschreibungen über Stock und Stein zu ebenso steinzeitlichen Fels- und Steinformationen paaren sich dabei mit den passenden Legenden. Vor allem die Bretagne sei „eigentlich Frauenland“, schreibt Schäfer und weiß von etlichen Müttern, Matronen, Mädchen, Greisinnen, Huren und Heiligen zu erzählen.

Wenn einen auch nicht immer die in Schwarzweiß abgebildeten Felsen von ihrem angeblich wohlgestalteten Phalluscharakter überzeugen wollen, möchte man sich doch auf diesen unverrückbaren Monolithen niederlassen und etwa die Geschichte der heiligen Anna nachlesen. Die war nämlich einst mit einem Schlossherrn verheiratet, der partout keine Kinder wollte. „Doch es kam, wie es kommen musste, besonders deshalb, weil kein Mann eigentlich weiß, wie denn das Kinderkriegen zu verhindern sei, und weil nur die Frauen wissen, was sie zu tun haben, um ein Kind zu empfangen oder eben auch nicht.“ Anna wusste natürlich Bescheid, wurde schwanger, vom Schloss gejagt, kam dank eines Engels nach Nazareth und gebar Maria. Auf der Spur der Steine hat Heiner Müller vor mehr als 30 Jahren eine ganze Geschichte des DDR-Sozialismus geschrieben, da glaubt man auch diese Legende.

Auf historisch sicherem Gebiet bewegen sich Gerd Schumann und Florence Hervé mit ihrem Reisebuch „Baskenland. Frauengeschichten – Frauengesichter“. Angesichts der anhaltenden terroristischen Anschläge durch die baskische Befreiungsarmee der ETA erhellen ihre Porträts von Baskinnen die momentane von Rauchbomben vernebelte Sicht vor Ort. Schon im 17. Jahrhundert galt das Baskenland als „Brutstätte der europäischen Hexerei“. Rund 600 Frauen fielen allein König Heinrich IV. zum Opfer. Als untrügliche Beweise galten ihre Sprache, das Euskara, und dass die Baskinnen Äpfel aßen. „Es sind Evas, die Adams Kinder gerne verführen; sie leben in den Bergen mit unbedecktem Kopf, in voller Freiheit, wie Eva es im irdischen Paradies tat.“

Schumann und Hervé nehmen einen mit auf eine Reise durch Widerstand und Repression, die in der Gegenwart endet. Wenn von Dolores Ibárruri, der baskischen Mutter Courage, die Rede ist, die sich gegen den spanischen Faschismus erhob, lieber stehend sterben als auf den Knien leben wollte und mit 93 Jahren in Madrid starb, ist einem diese Stimme des Baskenlandes genauso nah, wie die beiden noch überlebenden Baskinnen des Konzentrationslagers Ravensbrück.

Dass es einem nicht ganz die Sprache verschlägt oder den Urlaubsappetit verdirbt, dafür sorgen einfühlsame Überlandfahrten, einige Rezepte und literarische Schmankerln am Ende dieses Bandes.

Brigitte Lüger-Ludewig steigt in ihrem Reisebuch gleich beim Essen ein. Überhaupt dreht sich in ihrem „Frankreich – im Herzen“ vieles ums Essen. Schließlich hat die Frau eines Professors fünf Jahre mit ihrem Mann in der Auvergne gelebt und keinen gedeckten Küchentisch bei Nachbarn und Freunden ausgelassen. Wenn auch nicht immer freiwillig. Insofern ist ihr Buch auch eher amüsante Reiselektüre als -führer, so eine Art Hera-Lind-Unterwegs. Und manches Mal reizt es einen arg, auf ihren Lebenspfaden fernab der Touristenströme nach dem Herzen Frankreichs zu fahnden. Den Lebensabschnittsbegleiter kann man da getrost mitnehmen: Das Buch muss er ja nicht lesen.

PETRA WELZEL

M. Schäfer, „Die magischen Stätten der Frauen“, Sphinx Verlag, 365 S., 44 DMG. Schumann/F. Hervé, „Baskenland. Frauengeschichten – Frauengesichter“, Dietz Verlag, 128 S., 29,80 DMB. Lüger-Ludewig, „Frankreich – im Herzen“, Schardt Verlag, 197 S., 24,80 DM