Schnell reich werden in Belgrad

Chinesische Flüchtlinge wollen in Serbien Geschäfte machen, Iraner und Kurden zieht es aus Bosnien weiter nordwärts: Allein im letzten Jahr gab es rund 24.000 illegale Grenzübertritte nach Kroatien

SPLIT taz ■ Mit den Kriegen auf dem Balkan wurden neue Grenzen geschaffen. Könnte man zumindest meinen. In Wirklichkeit jedoch sind diese Grenzen löchrig wie ein Schweizer Käse. Der Handel mit Drogen, Alkohol und Zigaretten wurde mit der Existenz der neuen und doch leicht überwindbaren Grenzen erst richtig lukrativ.

In den letzten Jahren ist eine neue Einnahmequelle hinzugekommen: Das meiste Geld wird jetzt mit Flüchtlingen verdient. Allein durch Bosnien und Herzegowina wurden im letzten Jahr nach Schätzungen der UN rund 50.000 Menschen in Richtung Europäische Union geschleust. Und das rechnet sich für die Schlepperorganisationen: bei „Preisen“ von 2.000 bis 10.000 Mark pro Flüchtling werden Hunderte von Millionen umgesetzt. Kein Wunder, dass das Geschäft boomt, und kein Wunder auch, dass die EU den Balkan bei der illegalen Einwanderung als Problemzone Nummer 1 anzusehen beginnt.

Die Reise nach Europa führt für die Flüchtlinge aus China oder dem Irak nicht über Land. Stattdessen reist man ganz legal per Flugzeug ein. Führend sind die Flughäfen von Belgrad und Sarajevo sowie Tirana in Albanien. Auch über die bosnische Stadt Tuzla und die montenegrinische Hauptstadt Podgorica kommen Tausende.

In Sarajevo stellten Iraner im letzten Jahr die größte Gruppe, an zweiter Stellte lagen türkische Staatsbürger, von denen die meisten Kurden sind. Zwar sind nicht alle Reisenden im Land geblieben oder nach EU-Europa abgetaucht, doch lediglich ein Drittel der Ankömmlinge nutzte das Rückflugticket. Unter dem Strich blieben 13.089 iranische und 9.666 türkische Staatsbürger im Land oder setzten ihre Reise nordwärts fort. Da Bosnien weiterhin geteilt ist, geht der Aufbau einer Grenzpolizei nur schleppend voran. Eine schärfere Kontrolle an Flughäfen stößt auf Widerstand. Die Kosten für den Aufbau eines strengen Grenzregimes will man nicht allein tragen.

Nach Belgrad kommen vor allem Chinesen. Zwar sind nach Angaben von UN-Sprecher Douglas Coffman die „Schreckensmeldungen“ aus dem letzten Jahr übertrieben, nach denen Zehntausende von Chinesen nach Jugoslawien einreisten. Doch einige tausend sind es schon, die jetzt das Straßenbild der serbischen Hauptstadt bereichern. Anders als die anderen Flüchtlingsgruppen zieht es die Chinesen nicht unbedingt nach Westeuropa. Sie bleiben in Serbien oder wandern bestenfalls nach Bosnien, Montenegro und sogar vereinzelt in das Kosovo ab. Mit Kleinhandel fangen sie an, dann werden Geschäfte gegründet, Restaurants entstehen. Auch auf dem schon legendären „Arizona-Markt“ bei Tuzla haben die Chinesen Fuß gefasst. Sie entsprechen zur Verwunderung der Einheimischen ganz ihrem Klischee: Fleißig und als Händler begabt, schaffen sie sich in kürzester Zeit in diesen armen Ländern eine Existenz. Und sind wohl gelitten.

Die Flüchtlinge aus anderen Ländern versuchen weiterzukommen. Jene, die Serbien als Transitland benutzen, bevorzugen den Übertritt nach Ungarn und von dort aus via Österreich nach Deutschland und Italien. Italien ist auch das Ziel jener, die von Montengro und Albanien aus in See stechen. Nach Italien versuchen auch diejenigen zu kommen, die ihre Route über Kroatien und Slowenien wählen.

Auf 24.000 Menschen veranschlagen die kroatischen Behörden die illegalen Grenzübertritte im Jahr 2000. Angesichts des schwachen Zentralsstaats in Bosnien ist es ein Leichtes, die Grenze nach Kroatien zu überschreiten. Viele der Pfade nach Dalmatien sind nicht einmal überwacht. Und die lokale Grenzpolizei ist, „wie in jedem anderen Land“, so UN-Sprecher Coffman, „zum Teil bestechlich“.

Das Risiko ist also nicht besonders hoch. Lediglich die Schifffahrt von Kroatien nach Italien kann für die Flüchtlinge gefährlich werden. Erst kürzlich wurde ein Schiff voller Afghanen von den Kroaten aufgebracht. Doch die meisten der Flüchtlinge schaffen auch diese Hürde.

ERICH RATHFELDER