Die Angst ist weg

Mit einem 1:0 gegen den einstmals gefürchteten VfB Stuttgart beginnen Bayern Münchens „heiße Wochen“

MÜNCHEN taz ■ Giovane Elber hatte es schon vorher gewusst. Man könne den VfB Stuttgart nur schlagen, appellierte der Stürmer des FC Bayern München noch am Freitag eindringlich an seine Teamkollegen, wenn man es schaffe, „mehr Tore zu schießen“. Vor allem meinte er damit: mehr Tore als der VfB. Die vergangenen drei süddeutschen Auseinandersetzungen hatten nämlich allesamt die Schwaben gewonnen, 0:1, 0:2, 1:2, weshalb sich im Vorfeld der Partie zunehmend der Begriff „Angstgegner“ unter den Beteiligten manifestierte. Hernach aber, also nach diesem mühseligen 1:0 der Bayern, das den Münchnern weiter die Tabellenführung beschert, war natürlich alles anders. Der VfB sei „nie ein Angstgegner gewesen“, sprach Elber, Torschütze des Tages, und überhaupt: Es war ein schöner Sieg für ihn am Samstagnachmittag. Schließlich habe man drei Punkte geholt, und „das ist die Hauptsache“. Basta.

Die Ansprüche der Bayern sind in diesen Tagen eben etwas relativiert. Nicht die Art und Weise eines Sieges zählt, sondern einzig der Sieg. In den nun anstehenden Wochen, die das vereinsinterne Bayern Magazin dramatisch als die „heißen Wochen“ bezeichnet hat, geht es um viel für den Deutschen Meister, sehr viel. Samstag, wie gehabt, Stuttgart, Dienstag Spartak Moskau, Samstag Unterhaching, Mittwoch wieder Moskau, Samstag 1. FC Köln. Das Programm drängt sich, und bei positivem Abschneiden in Bundesliga und Champions League könnten entscheidende Weichen für eine erfreuliche Münchner Saison gestellt werden.

Das weiß vor allem Ottmar Hitzfeld, grübelnder Bayern-Trainer. Bereitwillig akzeptierte er offensive Mängel seiner Mannen gegen den VfB, weil ihm am Ende das 1:0 und „unheimlich wichtige Punkte“ einfach bedeutender erschienen als glamourös zelebrierter Fußball. Statt die ungefährlichen Stürmer Zickler, Sergio und Elber zu kritisieren, lobte Hitzfeld die Abwehr mit einem überragenden Jens Jeremies, sprach von einer „tollen defensiven Leistung“ und ärgerte sich nicht lange darüber, dass man „den Gegner aufgebaut“ und gleichzeitig vergessen habe, „nach vorne zu spielen“. Dies ließen die Stuttgarter im Übrigen gar nicht zu. Mit Viererkette und Ganea als einzigem Stürmer angetreten, versuchten sie, wie Franz Beckenbauer in der Halbzeit anmerkte, die Bayern „einzuschläfern“. Mit mäßigem Erfolg.

Schon nach acht Minuten staubte Elber einen Querpass von Effenberg in den Strafraum aus fünf Metern ab. Und anschließend schläferten sich die Stuttgarter mit einem wieder mal kreisligastarken Balakow höchstens selber ein. Immerhin: In der zweiten Hälfte hatten sie, wie Trainer Ralf Rangnick richtig erkannte, „vier gute Chancen“ als Folge einer deutlich mutigeren Spielweise. Aber selbst Ganea konnte frei vor Oliver Kahn stehend aus sechs Metern nicht treffen. Stattdessen knallte er den Ball mit der Wucht eines Torpedos in den Unterleib des Bayern-Keepers, der nach Luft japsend zu Boden sank und sich schmerzerfüllt krümmte. Mitleid allerdings konnte er mit dieser Rolle nicht erhaschen. Elber sagte nach dem Spiel: „Mir tut Olli nicht leid. Er hat doch schon eine Tochter.“

Dass man trotz Terminstress scherzt bei den Bayern, ist ein gutes Zeichen. Vergessen scheinen die Eskapaden um Ciriaco Sforza, der stumm wie ein Mönch sein Reservistendasein hinnimmt; und vergessen scheint, zumindest vorübergehend, auch die Diskussion um Verstärkungen für die Mannschaft, vor einigen Wochen von Elber emsig gefordert. Der Kader ist bis auf den Paraguayer Roque Santa Cruz (Achillessehnenreizung) gesund, gute Voraussetzungen, um die nächsten Aufgaben erfolgreich zu bewältigen.

Für die Stuttgarter dagegen wird es ernst. Nur ein Punkt aus zehn Auswärtsspielen (2:2 in Wolfsburg), das bedeutet Abstiegskampf. Aber Rangnick gibt sich optimistisch. Am Spiel seiner Mannschaft gegen die Bayern habe er wenig auszusetzen, sagt er. Außer dass man wohl „das Pech gepachtet“ habe. Erst Unvermögen, jetzt Pech. Es steht wahrlich nicht gut um den VfB Stuttgart in diesen Tagen.

GERALD KLEFFMANN