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Der Schibsted-Verlag prüft die Einführung von „20 Minuten Köln“ in weiteren deutschen Großstädten

BERLIN taz ■ Möglicherweise kann man in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München bald umsonst 20 Minuten lesen. Der Nachrichtendienst für die Werbebranche Der Kontakter meldete nun schon die Gründung der 20 Minuten Holding Germany. Eine Meldung, die nach Folker Flasse, dem Vorsitzenden der Schibstedt AG mit Sitz in Berlin, etwas verfrüht ist. Im Moment würden die Märkte noch analysiert. Die Gründung der Holding sei in Planung, aber noch nicht durchgeführt, sagte er am Montag der taz.

Die Kölner 20 Minuten-Ausgabe hat immerhin eine Auflage von 150.000. Hört sich gut an, ist bei einer Gratiszeitung aber nicht Maßstab für die Lebensfähigkeit. Anzeigenkunden halten sich nämlich nach Dr. Ekkehard Kuppel, Generaldirektor der 20 Minuten Holding in Zürich, eher zurück.

Dabei sollte der Kölner Zeitungsmarkt sich noch vergleichsweise gut für das Projekt eignen. Im Gegensatz zu Berlin, München und auch Hamburg herrscht dort nämlich weit gehend unangefochten der DuMont Verlag mit dem Kölner Stadtanzeiger und dem Boulevardblatt Express. Neben Bild die einzigen Konkurrenten. Für Berlin und München rechnen Insider hingegen nicht damit, dass 20 Minuten auf den Markt kommt. Zu viele Tageszeitungen tummeln sich schon. Sollte Schibsted dennoch starten, haben Springer und Gruner + Jahr schon die eigenen Gratisblätter in der Schublade. Innerhalb kürzester Zeit könnte es dann, inklusive dem in Schweden erfolgreichen Vorreiter Metro, vier Gratis-Tageszeitungen geben.

Entscheidend wird dann wohl sein, wer den längeren Atem hat – Springer und Gruner + Jahr stellen jedenfalls ausreichend Mittel zur Verfügung. Gerade in Berlin ist es nämlich auch eine Prestigefrage, wer sich mit seinem Gratisangebot durchsetzt.

Ganz tot ist 20 Minuten aber nicht. In Frankfurt, Düsseldorf und auch Stuttgart ist der Markt weit weniger brutal. Kuppel glaubt denn auch trotz der wiederholten gerichtlichen Auseinandersetzungen weiterhin an das Produkt und die Zielgruppe – 40 bis 50 Prozent der Leser in Köln und Zürich seien unter 30.

HEIKO DILK