Wer arm ist, lügt?

■ NDR verweigert Familienvater die Befreiung von den Rundfunkgebühren

Stress mit Behörden hatte Herr F. in den letzten Monaten reichlich. Weil es Hamburger Politik ist, die Zahl der Sozialhilfeempfänger mit allen Mitteln zu senken, erhalten Arbeitslose wie er immer seltener „ergänzende Sozialhilfe“. Auch das Hamburger Verwaltungsgericht vertrat die Ansicht, F. könne Arbeit finden, wenn er nur wolle, und lehnte einen Eilantrag auf Auszahlung der Hilfe ab. Fazit: Da es Herrn F. mit einer kaputten Hand nicht gelang, einen Job zu finden, müssen er, seine Frau und die drei Kinder nach Abzug der Miete von 1236 Mark monatlich leben.

Das kann nicht sein, fanden die Sachbearbeiter in der „Abteilung Rundfunkgebühren“ des NDR und teilten Herr F. mit, er müsse ab dem 1. Februar Gebühren bezahlen. Die vom Sozialamt ausgehändigte Gebührenbefreiung sei ab sofort „zurückgenommen“. Begründung: Das Einkommen von Herrn F. liege unterhalb des Sozialhilferegelsatzes. Dies sei „nicht plausibel“. Da F. nicht „begründet und nachvollziehbar“ dargelegt habe, wie er davon lebt, sei die Voraussetzung für eine Gebührenbefreiung nicht erfüllt.

„Absurd“ nennt Dirk Hauer von der Bürgerschaftsgruppe Regenbogen diesen Vorgang: „Da werden arme Menschen doppelt bestraft.“ Der Rechtsanwalt Joachim Schaller, der dieses Problem aus der Sozialberatung für Studenten kennt, schlägt in die gleiche Kerbe: „Es ist immer schwierig, nachzuweisen, dass Menschen wenig Geld haben.“

Der NDR war trotz Nachfrage bis Redaktionsschluss zu keiner Stellungnahme zu bewegen.

Kaija Kutter