duschen, waschen etc.: Bei Mc Clean im Bahnhof Alexanderplatz kann man sich den Staub der Globalisierung vom Leib spülen
Die grenzenlose Reinlichkeit
Früher war Reisen eine beschwerliche Angelegenheit. Das ist lange her, doch auch heute kann man im ICE oder in der Regionalbahn ins Schwitzen geraten, ja sogar auf Kurzstrecken der BVG. Was das bedeutet, hat uns die Werbung gelehrt: Flecken unterm Arm, unangenehmer Geruch und in der Folge Freundin futsch, Job futsch, alles futsch. Nennen wir es die Mobilitätstragödie.
In die Spree zu springen, ist in diesem Fall nur die zweitbeste Lösung. Die beste steht im Bahnhof Alexanderplatz: das WC-Center. Erstaunlicherweise kommt ja vielen Menschen das Wort „Klo“ schmutzig vor – eine Verwechslung von signifikant und Signifikat, die schon zu jener Zeit, als das Reisen noch beschwerlich war, Synonyme wie „stilles Örtchen“ populär machte. Der moderne Mensch also geht zum „WC-Center“. Und der sehr moderne, dem Globalisierung kein Fremdwort ist, zu Mc Clean. Mc Clean im Bahnhof Alexanderplatz.
Selbstverständlich handelt es sich bei Mc Clean nicht um eine ordinäre Toilette, sondern um eine austarierte Körpererleichterungsanlage, einen Showroom der Reinlichkeit. Ein blau gestrichener Gang, unterbrochen von türkisfarbenen Türen, führt den Besucher zum silbernen Kassenautomat, der rechter Hand von einem Wechselgeldautomat flankiert wird. Für 1,50 Mark gibt ein metallenes Drehkreuz den Weg zu den Einzelkabinen frei: rechts der Gang für die Damen, links für die Herren, jeweils dominiert von einem gigantischen Reinigungsmittelwagen. Aber das ist nicht alles. Wir sind bei Mc Clean, und Reinlichkeit kennt keine Grenzen.
Eine Glasvitrine hinter dem kleinen Empfangscounter gibt erste Hinweise auf ein Körperpflegeabenteuer: Duschdas, Nivea, 8 x 4, Rasierzeug, Kondome und Nylonstrumpfhosen stehen da aufrecht, wenngleich etwas trostlos im Display. Alles für den Mc-Clean-Clou: Gegen zehn Mark kann der müde Wanderer für 30 Minuten ein Duschzimmer mieten. Zwei weiße Handtücher sind im Preis inbegriffen, Option auf Föhnnutzung besteht.
Energietechnisch gesehen, lässt sich Mc Clean nicht lumpen. Die Heizung steht auf fünf, zwei Deckenstrahler fluten, zwei Abzugshauben saugen Dampf ab. Sogar das Notausgangsschild ist beleuchtet, obwohl die Situation in dem fünf Quadratmeter großen, fensterlosen Raum mit nur einer Tür ziemlich übersichtlich ist. Einzig ein Plastikhocker für die Kleidung steht in einer Ecke, auf Abfalleimer, Quietscheentchen oder Aschenbecher wurde verzichtet. So steht man hinter der Zwischenwand aus geriffeltem Plexiglas und glotzt auf die wasserdichte Wandverschalung. Als Dienst an der Seele taugt das nichts. Ein kurzer Augenblick des Glücks ist jedoch zu erleben: Wenn man nach 20 Minuten in der Isolierzelle den Wasserstrahl abdreht, hört man mit einem Mal über sich wieder ganz beruhigend die Züge rumpeln. Der Fernverkehr! Die BVG!
Beim ordnungsgemäßen Abmelden fällt der Blick in das kleine Bürokabuff neben dem Counter: eine Kaffemaschine, ein Telefon und ein Ordner, der „Guter Rat! 97“ heißt. Wie viele Menschen am Tag zum Duschen kommen? Das Mc-Clean-Mädchen entschuldigt sich: „Ich darf keine Auskünfte geben.“ Sie schreibt aber gerne eine Telefonnummer in der Schweiz auf, dort kann man sich informieren. Das nennen wir globales Duschen.
CHRISTIANE KÜHL
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