Grüße aus Santiago de Chile

Gestern telefonierte Margot Honecker mit einer Kneipe in Friedrichshain. Dort wurde ihr Buch „Über das andere Deutschland“ vorgestellt – und das Wetter in Chile

Die ehemalige DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker lebt in Chile. Nach Deutschland will die Witwe Erich Honeckers nicht mehr zurückkehren, aber mit Freunden hier telefoniert sie gelegentlich. Gestern sprach sie zum Beispiel mit ihrem alten FDJ-Kollegen Klaus Huhn. Der saß in einem chilenischen Restaurant in Friedrichshain. Das Gespräch wurde per Lautsprecher in den Gastraum übertragen. Denn gestern ist in Deutschland in Zusammenarbeit mit Huhn ein Buch erschienen, in dem Margot Honecker Auskunft über ihr Leben gibt. Es beruht auf Gesprächen mit dem früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chiles, Luis Corvalán. Unter dem Titel „Über das andere Deutschland“ spricht Honecker über ihre Biografie, die DDR, den Prozess gegen ihren Ehemann und ihr Leben im Exil. Die letztes Jahr erschienene spanische Ausgabe ist in Chile bereits vergriffen. Für Deutschland wurde das Buch überarbeitet, teilt der Verlag „Das Neue Berlin“ mit. Der Übersetzungsfehler „Fick-Konzern“ wurde etwa in „Flick-Konzern“ verbessert.

Für die Liveschaltung nach Chile ist das kleine Lokal in Friedrichshain sehr voll geworden. Vergnügt verfolgen Journalisten und Kamerateams, wie der behäbige Klaus Huhn auf dem Tastentelefon die lange Auslandsnummer wählt. Zu DDR-Zeiten war Huhn Sportchef beim Neuen Deutschland. Vor dem Telefonat hatte Verleger Matthias Öhme noch gesagt, dass er das Buch zur „Relegitimierung der DDR“ herausgibt.

Zuerst geht Luis Corvalán ans Telefon. Er sagt, es sei „revolutionäre Pflicht, zum Kampf für die Wahrheit beizutragen“. Dann reicht er den Hörer weiter. Und mit einem heiteren „Hallo Klaus, viele Grüße!“ meldet sich Margot Honecker. Huhn fragt sie nach dem Wetter in Santiago, und die beiden plaudern ein bisschen über Winter und Sonne und die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse. Mit dem Buch, wolle sie Tatsachen für sich sprechen lassen, kommt Margot Honecker dann endlich zur Sache. „Wessen sollen wir uns rühmen, wenn nicht der DDR?“, findet sie. Huhn fragt sie nach den Tantiemen für das Buch, und sie seufzt ein „Ach Klaus, ich habe nie für Geld geschrieben!“. Sie wolle die 3.000 Mark Prozesskosten abstottern, die sie noch an die deutsche Justizkasse abführen muss. Huhn ist ganz entsetzt, dass sie die überhaupt zahlen soll. Er schickt ihr einen „lieben Gruß in den Sommer von Santiago“ und legt den Hörer wieder auf.

Das ging alles sehr schnell. Verwirrt blättern die Journalisten in den Belegexemplaren des Buchs. Im Vorwort schreibt Honecker: „Ich mache in diesem Büchlein kein Hehl daraus, dass ich bei aller kritischen Betrachtung von Versäumnissen mit denen übereinstimme, die dafür eintreten, dass es die historischen Erfahrungen des Sozialismus zu bewahren gilt für ein besseres Morgen.“ KIRSTEN KÜPPERS