Allein auf dem grünen Hügel

In der Frage seiner Nachfolge in Bayreuth sieht sich Wolfgang Wagner nun mit dem Rücken zur Wand

Das Skript klingt mehr nach Shakespeare als nach Wagner: König Lear, von den eigenen Töchtern verstoßen, ungeschützt in stürmischer Nacht.

König Lear heißt heute Wolfgang Wagner und regiert seit nunmehr fast 49 Jahren auf dem grünen Hügel als Leiter der Festspiele in Bayreuth. Die Festspiele sind eine Art Familienbetrieb, im Gegensatz zu den märchenhaft isolierten Ländereien des Shakespeare-Dramas aber in ein dichtes Netz kulturpolitischer und wirtschaftlicher Interessen verstrickt. Sie verdanken sich der Vision und dem unbeugsamen Willen Richard Wagners, dessen Erbe seine Sippe mit breiter Brust seit 125 Jahren fortführt. Aber die Festspiele sind nun eben auch kein Krämerladen, sondern längst eine internationale Institution, ihre Inszenierungen und Personalpolitik ein Politikum von weit reichendem Interesse.

In dem bald zwei Jahre dauernden Streit um den Abtritt des 81-jährigen Festspielleiters hat sich Wagner nun völlig isoliert. Immer wieder hatte der bayrische Kunstminister Hans Zehetmair (CSU) darauf gedrängt, dass Wolfgang Wagner seine Nachfolge regele. Wagners Nichte Nike Wagner und seine Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier, hatten sich um die Festspielleitung ab 2002 beworben, wobei Eva Wagner-Pasquier, die moderatere der beiden Kandidatinnen, vom 24-köpfigen Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele wie auch von Zehetmair favorisiert wird. Aber Wolfgang Wagner, der noch 1999 die Debatte um seine Nachfolge selbst eröffnet hatte, zeigte sich stur und allenfalls bereit, seine Frau Gudrun als Nachfolgerin zu akzeptieren. Zuletzt polemisierte er auf der Internet-Seite der Festspiele gegen seine Tochter Eva Wagner-Pasquier.

Nachdem vergangene Woche ein letztes Gespräch mit Wagner über eine einvernehmliche Lösung scheiterte, erklärte Zehetmair nun in der Zeitung Die Woche, er lasse jetzt „alle rechtlichen Möglichkeiten“ prüfen, um den lebenslangen Mietvertrag Wolfgang Wagners für das Bayreuther Festspiele zu kündigen. Eva Wagner-Pasquier, soll nach Vorstellung Zehetmairs das Festival im Herbst 2002 übernehmen. Unterstützung erfährt er dabei nicht nur seitens des Bayreuther Stiftungsrats. Auch Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) befürwortet einen Generationenwechsel.

Die Kündigung des traditionell auf Lebzeiten ausgeschriebenen Mietvertrages würde nicht nur das Ende des ungebrochenen Familienmonopols über den grünen Hügel bedeuten. Als politischer Akt käme sie der Enteignung eines Unternehmens und der Räumung eines besetzten Hauses gleich.

BJÖRN GOTTSTEIN