Stadt als Museum und umkämpfter Raum

Schöner sollen sie werden, die Innenstädte. Doch was ist schön, wie sollen sie verschönert werden und vor allem für wen? Die Attraktivität der Zentren rückte für die Stadtplaner – etwa im Vergleich zu ihrer Funktionalität – in dem Maße in den Mittelpunkt , wie der „Standortfaktor“ sich nicht länger nach der industriellen Produktivität bemisst, sondern nach der Anziehungskraft der Dienstleistungen einer Stadt. Die prominentesten unter ihnen: der Verkauf von Konsumgütern und das kulturelle Angebot.

Heute um 10.30 Uhr eröffnet Hamburgs Kultursenatorin Christina Weiss das öffentliche Symposion „Wo steht die Kunst – Perspektiven der Kunst im öffentlichen Raum“. Dort werden zwei Tage lang Künstler, Kuratoren und Stadtplaner ihre Konzepte, unter anderem zur Hamburger HafenCity, zur Diskussion stellen. Angesichts der zunehmenden (privat-)polizeilichen Ausgrenzung des weniger kaufkräftigen Publikums, etwa von Obdachlosen und Junkies, aus den Innenstädten, stellt sich aber die Frage, ob Projekte von Kunst im öffentlichen Raum nicht lediglich Dekor sind. Mehr noch: Womöglich steigern sie in erster Linie den kulturellen Statusgewinn, den die Besserverdienenden ohnehin durch die Abwesenheit der Armen haben.

Das Stadtteilprojekt „Park Fiction“, eine Art „andere“ Kunst im öffentlichen Raum, versucht seit Jahren, am Pinnasberg auf St. Pauli einen Park durchzusetzen, an dessen Betreten niemand gehindert werden soll. An diesem Wochenende planen die Initiatoren des Projekts eine Reihe kleinerer Veranstaltungen.

Unsere beiden Debattenbeiträge widmen sich unterschiedlichen Möglichkeiten dessen, was Kunst im öffentlichen Raum bedeuten kann.

■ Innere Sicherheit und Kunst im öffentlichen Raum

Der Traum ist aus: Vor bald dreißig Jahren löste die in Bremen geprägte Formel von der „Kunst im öffentlichen Raum“ das im Nationalsozialismus begründete Modell „Kunst am Bau“ ab. Zur gleichen Zeit zeichnete sich ein Wandel vom Widerstreit sozialer Bewegungen hin zur Bürgerwehr ab: Auf Klassen- wie Trassenkampf folgte im Stadtstaat Bremen eine Abwehr gegen „abweichendes Verhalten im Viertel“. Inzwischen kontrollieren Polizei und Verwaltung Betrieb und Terrain der Stadt, während selbst Teile des grünen Milieus sich gegen Junkies und Menschen ohne deutschen Pass organisieren. Die Entwicklung rund um den dortigen Rembertikreisel zeigt exemplarisch, wie sozialräumliche Polarisierung, die Verelendung immer breiter definierter „Randgruppen“ sowie die gleichzeitige Verinnerlichung von Innerer Sicherheit und Säuberungswahn im linksbürgerlichen Milieu ineinander greifen.

Welche Rolle spielt dabei die Kunst? Als Zombie reist „Kunst im öffentlichen Raum“ derzeit weiter durch die Innenstädte. Der Hype wird begleitet von einem Tross durch die Symposionslandschaft ziehender Künstler- und KuratorInnen, welche sich erneut an die Frage der räumlich definierten „Öffentlichkeit“ herantasten. Im Unterschied zu – meist ungeladenen – No-name-Initiativen im soziokulturellen oder politaktivistischen Umfeld sind diese KulturproduzentInnen namentlich bekannt. Unter der raumgreifenden Obhut standortbewusster Kulturbehörden und „aufgeschlossener“ Ausstellungsräume wird über Kunst im Außenraum vor allem debattiert, detailfreudig skizziert und vierfarbig publiziert, während die aggressiven Vorstöße einer revanchistischen Stadtpolitik sowie die Ebenen der Praxis nicht selten in den Hintergrund treten.

Einst in Bremen erfunden, betreibt man die Belebung innerstädtischer Areale in Hamburg besonders rege. So recycelte das Team Armaly/Bauer/Doderer in Ehren patinierte Projekte von 1989 zehn Jahre später als aufgefrischten Beitrag zum „Kunst im öffentlichen Raum-Projekt M:100“ auf der Hamburger Fleetinsel. Inzwischen steht dieses Areal mitsamt der Außenräume völlig unter privater Kontrolle und kann somit allenfalls semi-öffentlich genannt werden.

Dass der städtische öffentliche Raum weniger soziokulturelle Wärmstube denn umkämpftes Terrain ist, auf dem zunehmend polarisierte Interessen und existentielle Notwendigkeiten spürbar zutage treten, gilt den Standort-Aktiven nicht viel. So ließ „skulptur. projekte in Münster“-Kurator Kaspar König für das Projekt „Zeil&Kunst“ geladene KünstlerInnen gegen Einkaufsgutscheine die Schaufenster der Frankfurter Einkaufsmeile dekorieren. Zugleich machte sich der kooperierende Geschäftsleute-Verbund „Zeil aktiv e.V.“ für ein Info-, Observations- und Polizei-Pavillion zwecks innerstädtischer Kontrolle und rascher Repression stark. Das Ding steht inzwischen und wird im gemischten Doppel aus Tourismusberaterin und Überwachungsbulle besetzt.

Während die antiurbane Flucht vor dem „Lästigen“ in abgeschotteten Vorortsiedlungen, Businesslounges oder Privatclubs ein Privileg der Gewinner ist, sorgen Ordnungsamt, regie-rende Bürgermeister oder private Sicherheitsdienste innerstädtisch „für klare Verhältnisse“. Diente Kunst im öffentlichen Raum anfänglich noch der klassenübergreifenden Integration, der Abfederung sozialer Umbrüche, so gelten nun vormals öffentliche Orte wie Innenstädte, öffentliche Verkehrsmittel und Szeneviertel als Zonen der Ausgrenzung und Kontrolle.

Wenn die „öffentliche Ordnung“ mit Platzverweisen, Aufenthaltsverboten und Räumungen durchgesetzt wird, ist Kunst im öffentlichen Raum ohne die Revision sowohl des Städtischen als auch ihrer Öffentlichkeiten nicht zu verhandeln.

Zudem werden durch fortschreitende Suburbanisation des „öffentlichen Raums“ aus der Innenstadt heraus neue Vermittlungsformen einzufordern sein, die sich niederzuschlagen hätten in einem deutlich veränderten Konzept der „Kunst im öffentlichen Raum“ – sei es durch elektronisch distribuierte Medien oder mit Hilfe eines Verbunds verstreuter und temporärer Multifunktionsbauten. Aber vielleicht basiert das Projekt „Kunst im öffentlichen Raum“ ja auch auf der Einsicht, dass es sich bei den aktuellen Innenstädten letztlich um stadthistorische Museen mit angeschlossenen Verkaufseinrichtungen handelt, welche für Investoren sowie den Lokal- wie Ferntourismus kulturell aufmotzt werden sollen. Jochen Becker