Justizreform erregt Spanien

Die Rechtsregierung Aznar möchte Spaniens Justizapparat entpolitisieren. Die linke Opposition fürchtet die Rückkehr des institutionalisierten Konservativismus

MADRID taz ■ Spaniens Justizminister Angeles Acebes traut sich an eine der letzten unerledigten Aufgaben der jungen spanischen Demokratie. Die Justiz soll künftig „schnell, effektiv und von hoher Qualität“ sein. Außerdem will er durch eine Reihe von Veränderungen in der Justizhierarchie „das Richteramt entpolitisieren“. Acebes möchte seine Reformpläne in den kommenden Monaten zur Diskussion stellen.

Aktenberge und jahrelanges Warten auf ein Urteil sollen bald der Vergangenheit angehören. Acebes plant den Justizapparat zu dezentralisieren. 250 Milliarden Peseten (drei Milliarden Mark) sollen in die Modernisierung und die Schaffung neuer Stellen investiert werden.

Bis hierher ist die spanische Opposition mit den Plänen des Justizministers einverstanden. Nur an einem Punkt erhitzen sich die Gemüter: an der Wahl der 20 Mitglieder des Obersten Justizrates (CGPJ). Bisher werden sie alle vom Parlament bestimmt. Acebes möchte, dass 12 der 20 künftig von den richterlichen Standesorganisationen gewählt werden. „Um das allgemeine Vertrauen in die Justiz wiederherstellen“, begründet er diesen Schritt. In den letzten Jahren war in Spanien immer wieder der Eindruck einer zu starken Parteibindung der Richter des Aufsichtsgremiums und der obersten Gerichtshöfe entstanden – vor allem bei politisch brisanten Fällen, wie die Verwicklung der sozialistischen Regierung von Felipe González in den schmutzigen Krieg der Antitterroristischen Befreiungsgruppen (GAL) in den 80er-Jahren, wurden Verfahren abgewiesen, obwohl sie nach Ansicht der klagenden Anwälte juristisch begründet waren. Die Mehrheits- und Minderheitsvoten der Richter machten sich genau an ihrer parteipolitischen Orientierung fest.

Die heutige sozialistische Opposition befürchtet aber bei einer Direktwahl der Aufsichtsbehörde durch die Standesorganisationen ein starkes Übergewicht der Konservativen. Von den 4.000 Richtern sind knapp über 50 Prozent organisiert – die Hälfte davon im konservativen Berufsverband, nur ein Viertel bei den fortschrittlichen „Richtern für die Demokratie“. Wenn Acebes seine Reform verwirklicht, hätte Spaniens Rechte, so die Befürchtung der Linken, auch dann die Mehrheit in den Justizorganen, wenn sie eines Tages die Regierungsmehrheit verlieren sollte. Genau um diese konservative Richtermehrheit zu brechen, hatten die Sozialisten 1985, als sie mit absoluter Mehrheit regierten, die Direktwahl abgeschafft und die Ämter im CGPJ durch das Parlament vergeben lassen.

Der Versuch der regierenden Konservativen, den Wahlmodus zu ändern, kommt nicht von ungefähr. Regierung und Richter gerieten in den letzten Monaten in zwei Fällen heftig aneinander. Zum einen, als Regierungschef José María Aznar Richter Gómez de Liaño begnadigen ließ, der wegen „Fälschung eines Tatbestandes“ verurteilt worden war. Er hatte unter falschen Annahmen ein Verfahren gegen den Medienkonzern PRISA aufgenommen. Zu PRISA gehört El País, die größte und linksorientierte Tageszeitung des Landes. Zum anderen wurde die Regierung dazu verurteilt, die seit 1996 nicht gewährten Gehaltserhöhungen für Beamte nachzuzahlen. Aznar weigert sich.

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