Intersex

„Intersexuell“ heißen Menschen, deren Geschlecht nach der Geburt von Arzt oder Hebamme nicht eindeutig bestimmt werden kann. Nach Schätzungen trifft dies auf ein Baby unter zweitausend zu. Daneben existieren eine Reihe physiologisch nicht sofort erkennbarer Fälle von Geschlechtsvariation, die sich erst später äußern. Über die Häufigkeit dieser „Intersexualität im weiteren Sinne“ lässt sich nur spekulieren.

Gängige medizinische Praxis in Fällen sichtbarer geschlechtlicher Unbestimmtheit war und ist bisher, möglichst schnell chirurgisch „nachzubessern“. Zu neunzig Prozent werden dabei aus den intersexuellen „weibliche“ Geschlechtsorgane geformt. Mediziner vertreten häufig die Auffassung, dass sich nach der chirurgischen Korrektur der Rest der Geschlechtsidentität durch Erziehung einstellt.

In den letzten Jahren ist die chirurgische Genitalmanipulation an intersexuellen Kindern und Säuglingen in Verruf geraten, weil man bemerkt haben will, dass sich das konträre genetische Geschlecht in der Pubertät dann doch durchsetze – etwa wenn operierte Intersexuelle sich weigern, Kleider anzuziehen oder mit Puppen zu spielen. Gravierender ist ein anderer Einwand: Die äußerliche Geschlechtskorrektur ist schmerzhaft und kann traumatisch wirken. Von Aktivisten werden der chirurgische Eingriff und die nachfolgenden Behandlungen mit Folter, Genitalverstümmelung und sexuellem Missbrauch gleichgesetzt.

Während Intersexualität sich als ein biologisch bestimmbarer Sachverhalt darstellt, steht bei Transsexualität die psychische Gewissheit im Vordergrund, im falschen Körper zu leben. Transsexuelle haben – trotz aller juristischen Hürden – allerdings den Vorteil, sich freiwillig für eine operative Geschlechtsanpassung entscheiden zu können. Umstritten ist die Frage, ob nicht viele Transsexuelle „eigentliche“ oder unerkannte Intersexuelle sind und ob die Unterscheidung intersexuell/transsexuell überhaupt einen Sinn macht.

Im vergangenen November haben Vertreter verschiedener Interessengruppen einen Entwurf für ein neues Transgendergesetz (TGG) vorgelegt. Der Entwurf sieht eine Erneuerung des zwanzig Jahre alten Transsexuellengesetzes (TSG) vor und enthält erstmals auch einen Passus zu Intersexualität mit der Forderung, den chirurgischen Eingriff so lange zu unterlassen, bis der/die Betroffene selber in ihn einwilligen kann. Intersexaktivist Michel Reiter hält den neuen Entwurf allerdings für „Laberkram“. Eine strikte Anwendung des Grundgesetzes und des Strafgesetzbuches reiche eigentlich aus. Der TGG-Entwurf ist auf der Homepage der „Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität“ (DGTI) nachzulesen (www.dgti.org). Kritische Auskünfte zu Intersexualität finden sich auf den Seiten der „Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie“ (AGGPG). ANDREA ROEDIG

Literatur: Del LaGrace Volcano, Sublime Mutations, konkursbuch, Tübingen 2000, 190 Seiten, 78 Mark. Del LaGrace Volcano, Judith Halberstam, The Drag King Book, Serpent’s Tail, London, 1999, 154 Seiten. Della Grace: Lovebites, Gay Men’s Press, London 1991