Wohin mit den geklauten Millionen?

Wie funktioniert eigentlich Geldwäsche? Was machen Steuerhinterzieher, korrupte Politiker, Mafiosi und Entführer wie Thomas Drach mit dem schmutzigen Mammon? Ein Insider verrät, wie es geht

von XXX *

Aus meinem getönten Bürofenster blicke ich auf die alte Frankfurter Börse hinab. Ich selber arbeite als Geschäftsführer in einem anderen Finanzdienstleistungsunternehmen. Der Gesetzgeber nennt unser Geschäft „Geldwäsche“. Unser Kundenkreis ist größer, als ihn sich Krimileser vorstellen: Schwarzarbeiter und Industrielle, Steuerhinterzieher und korrupte Politiker, Bankräuber, Entführer und Kiezmafia benötigen von Zeit zu Zeit unsere Dienste.

In unserem Beruf unterscheiden wir zwei Gruppen, die so genannten Freien und die Banker. Die Banker drehen das größere Rad, aber sie verschieben am liebsten legal erworbenes Geld, das lediglich für den deutschen Fiskus gereinigt wird. Dresdner-Bank-Boss Sarrazin verschaffte das Milliardenwaschen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr – auf Bewährung. Viele Institute helfen ihren Kunden, über anonyme Sammelkonten ihr Schwarzgeld nach Luxemburg oder in die Schweiz zu verschieben. Auf das dortige Nummernkonto wird dann hier ein Kredit ausgeschüttet, und schon hat der deutsche Topmanager wieder weißes Geld in der feinen Weste. Back to back nennt es der Bankerjargon.

Wir Freiberufler kommen dagegen dem Klischee des Berufskriminellen schon näher, jedenfalls sind unsere Kunden oft Profigauner. Wir benötigen kaufmännisches und juristisches Know-how der Extraklasse und einen Apparat. Bis zu zweihundert Leute arbeiten für meine Firma, mehr oder weniger fest. Selbstverständlich sind darunter auch flotte Schmuggler und Laufburschen, clevere Hehler und fette Bodyguards. Aber wichtiger sind unsere Rechtsabteilung und die Kontakte zu seriösen Notaren, Brokern und Finanzexperten. Selbstverständlich kennen mich die meisten meiner Mitarbeiter nicht einmal dem Namen nach.

Unser Alltag ist ein normaler Bürotag, denn wir arbeiten nach dem Prinzip „Lex maxima est“ – das Gesetz ist alles. Passfälschung oder Bestechungen von Bankern leisten wir uns nur im Notfall, lieber nutzen wir die Chancen des Geldwäschegesetzes. Das Gesetz schreibt einen Grenzwert von dreißigtausend Mark vor. Übrigens ein internationaler Richtwert. Bargeldeinzahlungen oder Überweisungen unterhalb dieser Grenze bleiben in jeder Beziehung unbeachtet, erst bei höheren Beträgen muss sich der Bankkunde ausweisen. Die Bank protokolliert dann den Vorgang und meldet ihn routinemäßig an das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Bonn. Bei einer Waschsumme von einer Million Mark müssen wir daher bei etwa vierzig der 62.000 Bankfilialen eine kleinere Summe einzahlen – aus schmutzigem Bargeld wird sauberes Buchgeld.

Logistisch bereitet dieses Smurfing uns keine Probleme. Aber die Kunst ist es, bei den Einzahlungen keinen Verdacht zu erregen. Denn wird der Schalterbeamte argwöhnisch, meldet er dies sofort dem Geldwäschebeauftragten, den jede Bank hat, und dieser wendet sich an die Staatsanwaltschaft. Das Geld wird blockiert, und wenn man Pech hat, fängt die überlastete Behörde tatsächlich an zu ermitteln. Ich gebe zu, Direktbanken, Internetbanking und bald die Euroumtauschwelle erleichtern uns die Arbeit.

Auch die andere Seite kennt unser Smurfing. In den Landeszentralbanken und den Großbanken sind die Computersysteme in der Lage, Konten zu erkennen, auf denen viele verdächtige Einzahlungen unterhalb des Grenzwertes von dreißigtausend Mark eingehen. Gleiches gilt für Zahlungsströme mit dem Ausland. Also muss der Empfänger eine solide Firmenadresse sein, und das Geld fließt portionsweise auf mehrere Konten. Zum Glück schöpfen Kreditinstitute ungern Verdacht, sie lieben ihr Bankgeheimnis.

Eine andere Möglichkeit, die hauptsächlich von meinen ausländischen Kollegen und ihren Landsleuten genutzt wird, ist das so genannte Hawala Banking. „Hawala“ bezeichnet im Nahen Osten und in Nordafrika das Mischen von verschiedenen Zutaten, die dann zu etwas Neuem verkocht werden. Solche Hawalaschattenbanken überweisen das Geld aus Deutschland beispielsweise in die Türkei. Gemeinhin waschen sie dadurch Einnahmen aus Schwarzarbeit, Drogenhandel und illegaler Prostitution und entfliehen dem deutschen Fiskus. Gegen 284 Schattenbanken ermittelt allerdings das Bundesaufsichtsamt.

Weniger national gebunden sind hierzulande normale Finanzdienstleister, Börsenmakler und Broker. Mit diesen unterhalte ich intensiven geschäftlichen Kontakt. Auch sie können Geld einsammeln und in ihrem Namen einzahlen, Gleiches dürfen Notare und Rechtsanwälte. Zwar fragt die Bank dann nach dem „wirtschaftlich Berechtigten“, aber wo gute alte Geschäftskontakte bestehen, lässt sich schon eine plausible Antwort finden. Nützlich sind auch einige moderne Finanzprodukte. So wickeln wir über befreundete Finanzdienstleister doppelte Termingeschäfte ab. Beispielsweise kaufen wir auf Termin ein paar tausend Aktien zu einem hohen und zu einem niedrigen Kurs, und zwar so, dass sich unterm Strich die beiden Termingeschäfte neutralisieren. Für das Verlustgeschäft „zahlt“ unser Klient buchungsmäßig sein schmutziges Geld ein und bekommt für das andere Termingeschäft sauberes Geld heraus. Unsere Finanzdienstleister sind renommierte Unternehmen mit Milliardenumsätzen, und unsere Anwälte und Notare entstammen namhaften Kanzleien, da fällt eine Prise Raffinement nicht einmal der deutschen Steuerfahndung auf.

Solche legalen Wege taugen nur für die gewöhnliche Kriminalität. Schließlich besteht eine latente Gefahr der Entdeckung durch Bank, Fiskus oder Polizei. Obendrein gibt es zu viele Mitwisser, und irgendjemand kriegt schnell mal ein schlechtes Gewissen. Solchen vorlauten Mitwissern verdanken wir die Tabakklage der Europäischen Kommission. Deren Antibetrugseinheit hat die zwei amerikanischen Tabakkonzerne Reynolds und Philip Morris wegen organisierten Zigaretten- und Drogenschmuggels mit anschließender Geldwäsche angeklagt.

Multis spielen in einer anderen Liga. Das hat wohl auch der Reemtsmaentführer Thomas Drach für sich gehofft. Entführungen und Erpressungen stellen für uns Geldwäscher jedoch einen ungeliebten Sonderfall dar, denn Ermittlungsbehörden und Medien – für Verräter sehr reizvoll – spielen verrückt. Markierte Scheine können außerdem von elektronischen Zählgeräten erkannt werden. Darum musste nicht allein Entführer Drach, sondern auch sein Geld ins Ausland verschwinden, zunächst.

Das hätte ein Job für unseren Kurierservice sein können. Auch dieser hält sich brav an das Geldwäschegesetz, denn an der Landesgrenze müssen Werte ab dreißigtausend Mark beim Zoll angemeldet werden, und der Bundesgrenzschutz ist an Flughäfen und der Oderneißegrenze sehr tüchtig; ja, er schreckt nicht einmal an Luxemburgs Grenze vor Aufgreifaktionen zurück.

Wohin also? Die Antwort fällt mir immer schwerer, seit viele Regierungen die Geldwäsche als gefährlich für die Staatsraison halten und, schlimmer noch, sich die internationalen Großbanken um die Stabilität ihres Finanzsystems sorgen. Die EU macht Druck. In Österreich können seit November Konten nicht mehr anonym eröffnet werden, Luxemburg und die Schweiz sind seit dem Fall Abacha tabu, als sie Milliarden einer nigerianischen Diktatorenfamilie einkassierten. Immerhin, Monaco genießt noch einen guten Ruf – obwohl die Geldwäschetaskforce der OECD dies bestreitet.

Bedauerlicherweise ist das Geld auf einem anonymen Konto tot. Daher speist meine Firma es in den legalen Finanzkreislauf ein. Dies funktioniert noch in Liechtenstein, allerdings wächst der politische Druck auf das Finanzparadies. Uns Geldwäschern bleiben die Exoten, vor allem Russland. Ist das schwarze Geld erst einmal in kleinen Portionen dorthin geschmuggelt, kann es bei fast jedem Kreditinstitut ohne lästige Fragen eingezahlt werden. Von dort wird das Geld über mehrere Stationen in Geldwäscheoasen wie die Philippinen, Israel oder den Libanon transferiert, von dort in einige achtbare Länder und zum Abschluss in das Bestimmungsland, etwa Deutschland.

Als letzter Gefahrenherd für dieses nun weiße Geld droht noch der Fiskus. Wären einem Herrn Drach plötzlich ausländische Millionenbeträge aufs heimische Girokonto geströmt, hätte dies schnell die Steuerprüfer alarmiert. Darum bedarf das saubere Geld einer plausiblen Legende und einer wirtschaftlichen Absicherung: Es müssen Unternehmen gegründet werden, die beispielsweise im Im- und Export tätig sind. Dann können (Schein-)Rechnungen aus aller Welt beglichen werden. Kredite verschaffen postwendend legales Geld, und werden peu à peu mit dem gewaschenen Geld abgetragen. Obendrein gründen wir noch weitere Firmen, deren tatsächliche Einnahmen und Ausgaben sich vor der Steuerbehörde leicht verbergen lassen, ein Restaurant etwa oder einen Pizzaservice. Das Bundeskriminalamt verdächtigt zudem in einem Bericht Detekteien und Sicherheitsdienste, Reisebüros und Gebrauchtwagenhändler, Finanzdienstleister, Brokerhäuser und Immobilienmakler. Spätestens dann gehört zusammen, was zusammengehört, meine Branche und die legale Wirtschaft.

* der Autor möchte unbekannt bleiben