Attentat auf Innenminister

Der alte Apparat in Serbien wehrt sich. Verstrickung von Polizei und Gaunern macht Anschläge undurchsichtig

BELGRAD taz ■ Der serbische Innenminister Dusan Mihajović wusste wohl, dass sein Leben bedroht ist. Freitagmorgen um eins fuhr deshalb ein Mercedes mit Leibwächtern vor dem großen Audi, in dem er selbst saß. Vor der Botschaft der Tschechischen Republik im Zentrum Belgrads rasten plötzlich ein Mercedes und ein BMW heran und blockierten die Straße. Mihajlović’ Fahrer konnte gerade noch ausweichen. Die Attentäter eröffneten das Feuer, die Leibwächter des Polizeichefs schossen zurück, dann fuhren die Attentäter davon. Durch reinen Zufall wurde niemand verletzt.

Die Täter wurden nur wenige Stunden nach dem Anschlag gefasst. Sie seien polizeibekannt, erklärte Mihajlović. Die Spitze des organisierten Verbrechens sei immer noch mit der Polizei verbunden. Mihajlović schloss jedoch nicht aus, dass er rein zufällig in eine „Abrechnung unter Gangstern“ geraten sei.

„Wir haben mit solchen Anschlägen gerechnet. Die Einführung des Rechtsstaates nach einem Jahrzehnt der Gesetzlosigkeit ist vielen ein Dorn im Auge“, erklärte Bundesinnenminister Zoran Zivković. „Unter Milošević konnte man Staat, Polizei und das organisierte Verbrechen nicht auseinander halten.“ Die Spitzenleute des früheren Regimes wehrten sich nun mit allen Mitteln. Ziković versicherte, die neuen, demokratischen Behörden Serbiens würden sich nicht einschüchtern lassen.

An Einschüchterungsversuchen mangelt es nicht. Kürzlich wurde auf den Fahrer des serbischen Geheimdienstchefs geschossen, vor einer Villa, in der sich dieser gerade mit Serbiens Premier Zoran Djindjić unterhielt. Einer der engsten Mitarbeiter des Premiers entkam nur knapp einer Bombe, die unter seinen Jeep gelegt worden war. Der ehemalige serbische Polizeichef beging unter mysteriösen Umständen Selbstmord. Die Leiche eines Untersuchungsrichters wurde in der Donau gefunden.

„Milošević’ Herrschaft war auf dem organisierten Verbrechen aufgebaut“, sagt ein pensionierter Belgrader Polizist. Diesen Zustand könne man nicht über Nacht ändern. Diese Leute hätten nun sehr viel Geld, und dementsprechend immer noch Macht und nicht die geringste Lust, in Serbien inhaftiert oder dem Haager Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert zu werden. In Serbien sei eine Mordwelle zu befürchten, die die bevorstehenden Prozesse gegen die Gefolgschaft von Milošević beeinflussen könnten. Ein Untersuchungsrichter, der sein Leben und das Leben seiner Familie bedroht sieht, wird sich ein Urteil zweimal überlegen.

Nur wenige Stunden vor dem Anschlag auf den Polizeichef und kaum einen Kilometer vom Tatort entfernt kam es im Belgrader Botschaftsviertel zu einem ähnlichen Feuergefecht. Der Geschäftsmann Milutin Scepanović und sein Leibwächter wurden in ihrem Mercedes 600 mit über dreißig Kugeln getroffen und waren auf der Stelle tot. Die Abrechnungen zwischen verschiedenen Gangsterbanden gehören in eine andere Geschichte. ANDREJ IVANJI