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: Die Forderung der Fans nach seligen Sportschauzeiten lässt die Kapitalverwerter kalt – noch

Das Murren der Narren

„Samstag 15.30, auf alles andere scheiß ich“, lautet ein Motto der Fanaktion gegen die Kolonialisierung der Lebenswelt durch den Fußball im Fernsehen. Früher, als Studenten noch Habermas lasen, waren es Imperative der kapitalistischen Verwertungszusammenhänge, die unsere Lebenswelt kolonialisierten. Eigentlich sind die es ja auch heute, der Fußball ist ja eine Metapher für Kommerzialisierung ehemals nicht kommerzieller, also dem kapitalistischen System entzogener Refugien des menschlichen Daseins. Schluss des Theorieteils.

Die Praxis: Die skrupellose Unterwerfung des Fußballs unter die Verwertungsbedingungen des Kapitals bringt endlich den Fan auf die Palme. Nicht, weil der Fan revolutionär wäre oder gar Habermas gelesen hätte, sondern weil er durch und durch ein Gefühlswesen ist, ein Narr. Woche für Woche leidet der Narr unter Torwartfehlern, versiebten Chancen, Abseitspfiffen und Auswechslungen. Der Fußball ist weder sein Beruf noch sein Hobby, er ist seine Passion. Deshalb hat der Fan ein ungleich feineres Gespür für Fehlentwicklungen als die Professionellen, die Spieler, Trainer, Reporter, der Fan hat ein Näschen, wie es unter den Professionellen allenfalls Christoph Daum und Rolf Töpperwien ihr Eigen nennen dürfen.

Das Murren der Narren wird lauter. Möglich gemacht hat dies das Internet. Dort passieren merkwürdige Dinge: Fans von Bayern und 1860, von St. Pauli und dem HSV verbrüdern sich gegen das Kapital, sprich: das Kartell der Fußballverwerter. Das lässt nichts Gutes ahnen für die Kolonialherren.

Dem Herrn Werner Hackmann, HSV- und Ligaboss, einem der höchsten Professionellen der Verwertungsfraktion, sollte dies zu denken geben. Er denkt aber nicht. Lieber spricht er von einer „undifferenzierten Kampagne“ und schilt die Fans, sie könnten nicht alles haben, große Stars, niedrigen Eintritt und selige Sportschauzeiten. Doch aus seinem Stadion hat er die Narren fast vertrieben, Business-Seats und VIP-Lounges sind wichtiger. Dass der Fußball dabei ist, seine Seele zu verkaufen, merken die Verkäufer des Fußballs nicht. Und denen, die es merken, glauben sie nicht. Das Fernsehen, dem sie vielleicht noch am ehesten glauben würden, muss die Kampagne der Narren naturgemäß unterschlagen.

Irgendwann wird irgendein Hackmann mit zwei Dutzend Shrimpsfressern in einem fast leeren Luxusstadion sitzen und feststellen, dass eine undifferenzierte Kampagne sein Geschäft ruiniert hat. Vielleicht wird es ihm ein Trost sein, dass es keine differenzierte war.

JOACHIM FRISCH