Briefe von ExiliranerInnen im Gepäck

Bundestagspräsident Thierse zufrieden mit erstem Gespräch im Iran: „Auch kritische Themen angesprochen“

BERLIN taz ■ Im Gepäck hat er Briefe von ExiliranerInnen, die um ihre inhaftierten Angehörigen bangen: Seit gestern hält sich Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in Iran auf. Die fünftägige Reise soll den noch in dieser Jahreshälfte geplanten Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder vorbereiten. Dieser wäre einer der wichtigsten Staatsbesuche im Iran seit der Islamischen Revolution 1979.

Über sein erstes Gespräch mit dem iranischen Parlamentspräsidenten Mehdi Karrubi äußerte sich Thierse gestern zufrieden: „Wir haben auch kritische Themen angesprochen.“

Ziel der Reise ist vor allem, die TeilnehmerInnen der von der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung im vergangenen April organisierten Konferenz zum Reformprozess im Iran freizubekommen: Sieben von ihnen waren im Januar wegen angeblich islamfeindlichen Auftretens zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Hinzu kommen zwei Übersetzer, die nur an der Organisation der Veranstaltung beteiligt waren. ExiliranerInnen und vermutlich Mitglieder des iranischen Geheimdienstes hatten die Konferenz massiv gestört.

„Sie reisen nach Iran, um die wirtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen längerfristig zu festigen, doch können unserer Meinung nach diese Beziehungen nur dann länger halten, wenn beide Länder auf stabiler, demokratischer Grundlage stehen“, heißt es in einem Brief der „Liga zur Verteidigung der Menschenrechte in Iran“ an Thierse. Dennoch begrüßt die Organisation die Reise. Für den „Verein iranischer Flüchtlinge“ in Berlin ist der Staatsbesuch ein Alibi für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen ohne Beachtung der Menschenrechte.

Die Mitglieder der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe Rudolf Binding (SPD), Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) und Rita Grießhaber (Grüne) begleiten Thierse. Der Besuch finde in einer „politischen Situation statt, die einerseits von gravierenden Einschüchterungsversuchen der konservativen Justiz gegenüber Reformkräften und andererseits ernsthaften politischen Reformanstrengungen gekennzeichnet ist“, hieß es aus dessen Büro.

Für den Iran ist der Besuch ein Schritt zur Öffnung in Richtung Europa. Dies ist ein beiderseitiges Interesse. Denn der Iran ist einer der größten Erdöl- und Erdgasproduzenten der Welt.

Neben Parlamentspräsident Karrubi wird Thierse den iranischen Staatspräsidenten Mohammad Chatami und Außenminister Kamal Charrasi treffen. Er will sich vor allem für aus politischen Gründen Inhaftierte und Meinungsfreiheit einsetzen. In den vergangenen zwei Jahren hat Irans Justiz etwa 30 Zeitungen und Zeitschriften verboten.

THOMAS DREGER