koalitionswechsel
: Warten auf das Neue

Die Berliner Politik im Niemandsland: Das Alte geht allmählich unter, doch das Neue ist nirgendwo in Sicht. Jahrelang hatten SPD, Grüne und auch PDS auf den Niedergang der Diepgen-Landowsky-CDU gewartet – und jetzt, wo es endlich so weit ist, wollen sie nicht springen. Selbst die PDS, deren Wunsch-Spitzenkandidat Gregor Gysi schon zum Regierungswechsel blies, hat plötzlich Bedenken. Es sei nicht der richtige Zeitpunkt, glaubt Fraktionschef Harald Wolf.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Nicht ohne Grund hatte Gysi den verwegenen Vorschlag gemacht, ein überparteiliches Experten-Kabinett zu bilden. Denn der PDS-Stratege weiß genau: In ihrem jetzigen Zustand sind die drei Berliner Linksparteien nicht regierungsfähig.

In den Augen des Publikums gehören auch sie zum mediokren Polit-Klüngel des „alten“ Berlin. Das Neue, das in den vergangenen zehn Jahren entstanden ist, hat sich weitgehend ohne Zutun der örtlichen Politiker entwickelt - zum Teil sogar gegen deren Widerstand.

Doch im Parteienspektrum der Stadt ist das viel beschworene, „neue“ Berlin überhaupt nicht vertreten. Und wer sich von niemandem vertreten fühlt, der geht einfach nicht mehr wählen.

Vor allem darauf, weniger auf die Existenz einer großen Koalition ist die anhaltend hohe Wahlenthaltung zurückzuführen. Weil die Politik auf die Veränderungen kaum reagiert hat, steht sie nun als Ganzes im Abseits.

Die Parteien wären klug beraten, dieses Defizit als Chance zu begreifen: Wer sich als erster am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Mittelmäßigkeit zieht, der wird den Wettlauf um die Wähler gewinnen. So gesehen, könnte die CDU von der Spendenaffäre und einem erzwungenen Generationenwechsel sogar profitieren - wenn sie sich nicht selbst zerfleischt und die nächste Garde von Politikern gleich mit verschleißt.