herr hefele kriegt zwei minuten
: Albert Hefele schreibt über sein Ende

Die Geister, die ich rief . . .

Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über fundamentale Dinge des Lebens.

Ulla, nun bleib mal ganz ruhig. Setz dich hin und halt dich fest. Hast du das Riechfläschen? Den Rotkreuzkasten? Also gut: Irgendwer muss es dir sagen. Und wenn es denn sein muss, dann will ich es sein: Ulla, ich werde diese Kolumne nicht ewig schreiben. Bleib bitte ruhig. Du hast das doch gewusst. Kolumnenschreiber wechseln. Mal dieser, mal jene. Das muss so sein. Das ist das Gesetz aller Kolumnenschreibenden. Nein, ich habe keine Angebote von anderen Zeitungen. Schön wär’s. Es ist einfach an der Zeit. Ich werde älter. Gut, oben in der Autorenzeile steht immer noch 48 – aber Ulla – das stimmt nicht! Da steht seit zwei Jahren 48! Du weißt, was das bedeutet! Ich bin raus, ich bin ein Grufti . . .

Wie es weitergeht? Sie suchen gerade nach einem Neuen, einer Neuen. Es sind viele Namen im Gespräch, das kannst du dir denken. Wer möchte in dieser Zeitung keine Kolumne schreiben? Bitte? Du meinst, die Frage wäre andersherum rascher zu beantworten? Das hab ich nicht verstanden, das will ich auch gar nicht verstehen. Es ist jedenfalls so, dass entweder ein ziemlich bekannter Literat kommt oder ein ziemlich bekannter Sportler. „Ziemlich bekannt“, genau. Darauf legen die Kollegen in der Redaktion Wert. Also nicht Günter Grass oder Michael Schumacher. Die sind mehr als „ziemlich bekannt“. Man sucht vielmehr nach den Berühmtheiten der zweiten Reihe. So wie der Kollege Eigenrauch. Genau! Nicht nur einer, der das Geschäft von innen heraus kennt. Einer, der Kult ist. Oder auf dem Weg zum Kult. Ich habe intern, also sehr intern, genau genommen vor mich hin, für Johann Mühlegg votiert. Du weißt, der irre Schiläufer. Wenn es denn ein Sportler sein soll, dann der irre Johann respektive Juanito. Weil er ja für Spanien fährt. Der hat es drin, der hat es im Kreuz, das mit dem Kult. Der und seine portugiesische Gesundbeterin. Und all den ihm übel wollenden bzw. ihn verhexenden und verteufelnden Kollegen aus der Szene.

Andere Sportler im Spitzenbereich suchen vergeblich nach einem ähnlich schrillen Begleitgeräusch zu ihrer Karriere. Das Allgäuer Riesenbaby Mühlegg ist ohne Scheu und falsche Scham in die Rolle des leicht meschuggenen Loipentiers geschlüpft und fährt gut damit! So einer muss diese Kolumne schreiben! So einer würde sich mit Schmackes auf die Themen werfen. Unter Garantie. So einer würde des Anfangs sich noch zügeln und vorsichtig sein in seinen Formulierungen, wohl wissend, dass die geifernde Leserschar nur auf einen Ausrutscher via Wahnsinn wartet. Irgendwann aber würde er sich in Sicherheit wiegen und die Maske fallen lassen und loslegen, dass es nur so eine Art hätte – wenn man ihn denn machen ließe.

Und die Kolumne müsste einen alles auf den Punkt bringenden Titel haben. Explosiv, reißerisch, wahnschäumend: „Mühleggs Geisterbeschwörung“. Oder „Johanns Exorzismus-Alm“. Oder „Juanitos virtuos vulgäre Vodoo-Show“. Irgendwas in dieser Art. Das hätte Klasse – und machte Kasse. Weil: eine solche Irren-Kolumne wäre mit Sicherheit eine der meistgelesenen Kolumnen im Land und die Auflage des Blättchens würde hochschießen und endlich alle Geldbeschaffungs- und Abonenntenaktionen der Vergangenheit anheim stellen. Das wäre schön . . . Und ich würde aus der Entfernung altersweise dazu nicken und mich ein wenig stolz daran erinnern, dass ich es war, der das Blatt gerettet hätte. So wäre es, wenn . . .

Aber: Man wird, wie immer, nicht auf mich hören. Und jene in der Redaktion werden tun, was ihnen beliebt, und auf mich als einen Irren schimpfen. So ist es doch immer gewesen! War es nicht immer so, Ulla? . . . Ulla? . . . Bist du noch da? . . . Ulla . . .?