La dolce Vita

Kumpelige Frau mit Herz: Die Chanteuse Helen Vita ist im Alter von 72 Jahren gestorben

Die Sechziger waren ein gutes Jahrzehnt für sie. Ohne viel Anstrengung machte der Staat von allein für sie und ihre Lieder Reklame. Helen Vita verstand sich auf die Kunst, auf der Bühne zu stehen und einen Skandal zu provozieren. Das war eine Zeit, als Chansons über geile Landadelige und Wiener Schmäh, dem am besten mit Rattengift beizukommen wäre, noch als Zeichen für eine untergehende Zivilisation genommen wurden. Deshalb wurden einige ihrer Schallplatten indiziert. Die Vita scherte es wenig, denn es waren ja nur „kleine Schweinereien“.

Sie hatte ihren Ruf weg als freche Chanteuse, als eine, die sich nicht bändigen lässt von verstaubten Bürokraten. Es gab zu ihrer besten Zeit andere Liedinterpretinnen, Hildegard Knef etwa oder Hanne Wieder. Doch beide, die stets beteuerten, eine Dame nie zu werden, waren letztlich viel zu ladylike, als dass man ihnen Scherze, also Texte von Friedrich Hollaender oder Kurt Tucholsky, krumm genommen hätte. Helen Vita freilich war wirklich keine Dame: eine Frau, die gelegentlich auf Göre machte, dann auf Kumpel und meist auf Partisanin im geschlechterlichen Alltagsgewimmel.

Kein Schwarzwaldmädel, keine leidende Prinzessin. Schon Bertolt Brecht, der sie vergebens zu überreden versuchte, in die DDR überzusiedeln, erkannte an ihr das komische Talent. Ihre Stimme war nicht besonders schön. In den Tiefen trieb sie ihr Organ bis zum herben Bass, in der Höhe auf das Niveau eines besonders sensiblen Kanarienvogels. Rainer Werner Fassbinder mochte sie sehr, setzte sie in Filmen wie „Lili Marleen“ oder in seinem Opus „Berlin Alexanderplatz“ ein: als kumpelige Frau mit Herz. Das konnte sie gut spielen, schon in den Fünfzigerjahren gab die Vita oft den Konterpart zu eher traditionellen Frauenrollen ab. Die Vita – das war burschikose Fülle in Verbindung mit dem Talent, Dinge nur andeuten zu müssen, um verstanden werden.

Eigentlich wollte sie bald wieder auf Tour gehen mit den Kolleginnen Evelyn Künnecke und Brigitte Mira und dem Programm „Drei alte Schachteln“. Sie war ja die größte Schachtel dieses Trios, weil ohne Scheu, öffentlich sich auch in giftgrünen Leggings zu zeigen, um mit ihrem geliebten Pudel Gassi zu gehen: Die Berliner liebten sie für diese unverstellte Neigung, nicht elegant zu tun. Ihre letzte Vorstellung gab Helen Vita, ohne es zu wissen, bereits am 27. Januar in einer Berliner Klinik. Dort starb sie, 72 Jahre alt, am Freitag an den Folgen ihrer Krebserkrankung. JAN FEDDERSEN