Afghanen ohne Asyl

Das Bundesverwaltungsgericht billigt Flüchtlingen aus Afghanistan immer noch kein Asylrecht zu. Keine Klarheit über Machtbereich der Zentralgewalt

FREIBURG taz ■ Ob Flüchtlinge aus Afghanistan in Deutschland Asyl erhalten können, ist weiter offen.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied gestern lediglich, dass weitere Sachaufklärung über die Verhältnisse in Afghanistan notwendig sei.

Von dem Verfahren sind nach Angaben des in Berlin ansässigen Gerichts rund 30.000 Flüchtlinge in Deutschland betroffen. Immerhin revidierte das Bundesverwaltungsgericht nun ausdrücklich seine Entscheidung aus dem Jahr 1997, wonach in Afghanistan keine „politische Verfolgung“ im Sinne des Grundgesetzes oder der Genfer Flüchtlingskonvention bestehe. Zur Begründung hieß es damals, die Herrschaft der Islamisten sei noch nicht gefestigt genug. Dass diese Auffassung nicht haltbar ist, hatte jedoch im letzten August bereits das Bundesverfassungsgericht erklärt. Es komme für die Annahme „quasi staatlicher Verfolgung“ weniger auf die Sicherheit der Außengrenzen vor militärischen Angriffen an.

Vielmehr gehe es darum, dass in einem „Kernterritorium“ der neuen Machthaber relativ ruhige Zustände herrschten. Diese Vorgaben hat das Bundesverwaltungsgericht nun in seine Rechtsprechung übernommen. Zu einer positiven Asylentscheidung sah sich das Gericht aber nicht in der Lage. Zuerst müsse geklärt werden, ob und wie viele autonome oder nicht befriedete Gebiete sich in Afghanistan noch dem Zugriff der zentralen Herrschaftsorganisation entziehen.

Außerdem müsse prognostisch bewertet werden, ob diese „Herrschaftsexklaven“ ihrerseits in der Lage seien, „hinreichend stabile Verhältnisse“ zu schaffen. Dies ist nun wieder Aufgabe der unteren Fachgerichte. Deren Feststellungen aus den Jahren 1996 und 1997 seien heute nicht mehr brauchbar. Bei einer erneuten Entscheidung sei auch zu prüfen, ob Frauen bei einer Rückkehr nach Afghanistan „politische Verfolgung durch die fundamentalistischen Taliban auch wegen ihres Geschlechts droht“. Die deutsche Vertretung des EU-Flüchtlingskommissars (UNHCR) begrüßte die Berliner Entscheidung als „Schritt in die richtige Richtung“.

Allerdings müssten auch die „Opfer nichtstaatlicher Verfolgung“ den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention in Anspruch nehmen können, betonte UNHCR-Sprecher Stefan Telöken. Viele Flüchtlinge aus Afghanistan sind derzeit in Deutschland nur geduldet. Abschiebungen finden seit einiger Zeit nicht mehr statt. CHRISTIAN RATH