... es endet unter der Erde – nur wie?

■ Premiere im Metropolis: Ayhan Salars Dokumentation In fremder Erde

Wer gerade M. X. Obergs Ein todsicheres Geschäft gesehen hat, wird sich daran erinnern, wie alltäglich die Verrichtungen, die mit einem Tod verbunden sind, für diejenigen sind, die sich von Geschäfts wegen um das letzte Depot von Leichen kümmern. Obergs Film hält – und sein Hauptdarsteller Thomas Schmauser weiß es königlich umzusetzen – die Lakonik fest, nicht den Zynismus, die Nüchternheit, nicht die Abgebrühtheit von Leuten, die in Bestattungsunternehmen arbeiten.

Der Filmemacher Ayhan Salar hat für seinen Dokumentarfilm In fremder Erde auch so eine Persönlichkeit gefunden, die – mit einem unglaublichen Sachwissen ausgestattet, von dem sie gerne erzählt – dem Tod sein Ungewöhnliches zu nehmen weiß: Die Beerdigungsunternehmerin Mektube Tasci führt mit ihrem Mann in Hamburg das Unternehmen Tasci, das hauptsächlich mit der Überführung der Leichen türkischer Migranten ins Land ihrer Geburt befasst ist.

In Deutschland nämlich ist es bis heute schwierig – so man es denn will, was bei weitem nicht für alle Migranten aus der Türkei gilt – eine Bestattung nach den Regeln des Islam vorzunehmen. Ohnehin gibt es nicht „die“ islamische Bestattung, zu unterschiedlich sind auf der ganzen Welt die Auslegungen der entsprechenden Passagen des Koran. Aber eine Beerdigung im Leichentuch soll es schon sein. Das aber verhindert die „Sargpflicht“ bei Beisetzungen auf deutschen Friedhöfen. Zudem sollte das Grab auch nicht, wie es nur bei den Christen praktiziert wird, nach höchstens 24 Jahren geräumt werden, um Platz für eine neue Leiche zu machen.

Doch nicht diese Bedingungen allein sind es, die über 90 Prozent der ehemaligen Gastarbeiter vor ihrem Tod verfügen lassen, man möge ihre Leiche doch bitte am Herkunftsort beerdigen. „Oben auf den Sitzen sind wir gekommen, unten im Gepäckraum fliegen wir zurück“, lautet ein beliebter Spruch unter den „Alten“. Vor allem die erste Generation der Migranten hält offenbar zumindest im Tod an ihrer Heimatverbundenheit fest – auch wenn die Entscheidung hierzubleiben, nicht nur auf den Wunsch der hier geborenen Kinder hin gefällt worden ist. Die übrigens, so wird in Salars Film zurecht spekuliert, werden wohl vermutlich zunehmend hier beerdigt werden wollen.

Der Architekturstudent Hanefi Gülbeyaz hat das Projekt eines Friedhofs entworfen, auf dem es auch in Deutschland möglich sein sollte, nach islamischen Vorstellungen zu beerdigen. Salar hat ihn bei seinen ausführlichen Recherchen auf Istanbuler, Hamburger und Berliner Friedhöfen begleitet und sogar seine Diplomprüfung dokumentiert.

Ein Politikum, wie etwa die Frage nach Moscheen in deutschen Metropolen, über die der politische Islam an Einfluss gewinnen will, ist die Frage nach Beisetzungsmöglichkeiten sicherlich nicht. Salar hat auch davon Abstand genommen, sie entsprechend aufzuladen. Auch die deutschen Konventionen der Beerdigung lässt er nicht etwa durch religiöse oder politische Eiferer verteidigen. Einzig einer der Professoren in Gübeyaz' Diplomprüfung merkt an, es gebe ja auch klimatische Umstände zu berücksichtigen.

Tatsächlich erlauben inzwischen auch einige Bundesländer Beisetzungen mit dem Leichentuch. Alles in allem ist In fremder Erde ein unprätentiöser Film, der von der weitreichenden Ignoranz deutscher Behörden gegenüber den Gewohnheiten der Migranten zeugt, ohne sie zu skandalisieren. Und das wäre, man denke nur an den Umgang der Deutschen mit jüdischen Gräbern und Friedhöfen, ja durchaus naheliegend gewesen.

Christiane Müller-Lobeck

Premiere mit Gästen: Do, 21.15 Uhr, Metropolis