WM nur noch privat

ARD und ZDF scheitern kurz vor dem Durchbruch. Kirch will und muss jetzt auch mit RTL verhandeln. Öffentlich-rechtliches Eigentor stärkt Bertelsmann

BERLIN taz ■ Fußball-Weltmeisterschaft ohne Faßbenders Bart, Kürtens Vollgrinsen, Dellings unbeholfene Blödeleien und Netzers staubtrockene Analysen. Fußball-WM ohne ARD und ZDF – geht das überhaupt? Es muss!

ARD und ZDF haben in ihrem Bestreben, Rechte nicht nur für 2002, sondern auch gleich für 2006 zu halbwegs günstigen Preisen zu erwerben, zu hoch gepokert – in der Annahme, dass Kirch die milliardenschweren Rechte ohne sie nicht refinanzieren könnte. Das Münchner Medienunternehmen wollte sich aber auf keinen Fall jetzt schon für die Heim-WM in sechs Jahren festlegen lassen. „Keiner weiß, wie es 2006 auf dem TV-Sektor aussieht“, sagt Kirch-Geschäftsführer Dieter Hahn.

„Der Himmel stürzt nicht ein, aber es ist für mich unverständlich, dass sich Kirch nicht mit uns einigen wollte“, weist der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen die Schuld am Verhandlungsdebakel von sich. Intern scheinen ARD und ZDF allerdings zerstritten: Die Folgen dieser „vertanen Chance“, so ZDF-Intendant Dieter Stolte, der anders als Pleitgen für die Öffentlich-Rechtlichen mit am Verhandlungstisch saß, werde man zu spüren bekommen, „je näher wir an die Austragung der Spiele im Jahr 2006 in Deutschland herankommen“. Stolte hatte das von ihm und ARD-Sportkoordinator und BR-Intendant Albert Scharf im Januar erzielte erste Verhandlungsergebnis mit Kirch für vertretbar gehalten, war aber am Widerstand anderer großer ARD-Anstalten gescheitert. Scharf, der wegen Krankheit nicht bei der letzten Verhandlungsrunde am Dienstag war, bedauerte, dass die Verhandlungen so nahe an einer Einigung erfolglos geblieben seien. Nach den Irritationen der vergangenen Wochen war er aber vom jetzigen Ausgang nicht überrascht, so ein BR-Sprecher.

Mit ihrem Eigentor punkten ARD und ZDF jetzt indirekt für Bertelsmann: Zwar könnte Kirch die Free-TV-Rechte im eigenen Haus behalten und damit Sat.1 und das Deutsche Sportfernsehen nach vorn bringen. Wegen zu hoher Kosten dürfte aber ein wenigstes teilweiser Rechteverkauf an Bertelsmanns RTL-Senderfamilie unvermeidbar sein.

Vor allem für die Sportberichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen dürfte der Verlust der wichtigsten aller Sportrechte verheerend sein. Abgesehen vom Image- und Quotenverlust droht ohne WM-Perspektive auch eine Abwanderung der besten Kräfte zur Konkurrenz.

MATTI/STG