Kokosmilch und harte Kerle

■ Die Stadtteilshow „Der Gute Abend“ erinnert an die legendären Schwergutfahrer der untergegangenen Bremer Reedeei „DDG Hansa“

Bhavnagar im Jahr 1973. Die „Uhenfels“, ein Spezialschiff der Bremer Reederei DDG Hansa, hat die indische Westküste erreicht. An Bord: Ein 530 Tonnen schwerer Reaktor für das Atomforschungszentrum in Baroda. Die Besatzung manövriert den Koloss auf einen Schwimmponton, der ihn über einen Fluß ins Landesinnere bringt. Dann werden die Seeleute zu Amphibikern: Auf Raupen-Crawlern festgeschweißt, rollt der Reaktor durch die indische Nacht. Am Ende der wochenlangen Reise werden die Schwergutfahrer aus Bremen mit Blumenketten begrüßt. Die Atomforscher taufen ihren neuen Reaktor mit Kokosmilch.

Aktionen wie der Baroda-Transport, bei dem das bis dahin schwergewichtigste Ladungsstück überhaupt von Europa nach Übersee geschafft wurde, gaben dem Mythos der „wagemutigen“ Reederei Futter. Auch 20 Jahre nach dem Untergang der „Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft“ treffen sich jährlich 300 Ex-Hansa-Angehörige in einem Bremer Hotel. Vier davon kamen gestern zur „Franzius“ an die Schlachte. Anlass: Die nächste Ausgabe der Stadtteilshow „Der Gute Abend“ widmet sich den „Abenteuern der DDG Hansa“.

Einer der vier alten Seeleute ist Frührentner Edmund Petschulis, 57, der als 16-Jähriger bei der DDG angeheuert hatte. Nach sieben Jahren als Decksjunge, Bootsmann und Matrose auf Schiffen mit dem Hansa-Kreuz ging Petschulis als Takler zur AG Weser, arbeitete als Möbeltischler, schnitzte Surfbretter, um dann – allerdings zu Lande – wieder als Schwertransporteur zu schaffen. Die Zeit, die ihn geprägt hat, waren die Jahre bei der Hansa. „Die Erfahrungen haben mir mein ganzes Leben lang geholfen“, sagt er, „als Hansa-Fahrer konnte man alles machen“.

Gründe dafür mögen das technische Geschick und die Improvisationskunst sein, die der Umgang mit dem Transportgut selbst erfoderte: Monströse Bauteile von Ölplattformen, Gastanks, Kessel, Raffinerieanlagen. Alte Filme zeigen, wie die – speziell getrimmten – Motorschiffe mit den überdimensionierten Krananlagen sich gefährlich auf die Seite neigen, um ihre Fracht auf Land zu setzen. Vor solchen Aktionen zerbrachen sich Spezialisten den Kopf darüber, wo denn der Schwerpunkt der jeweiligen Fracht liegen könnte.

Eigenartigerweise sollen die Hansa–Fahrer in der Szene den Ruf gehabt haben, gerade nicht die hellsten Köpfe gewesen zu sein. Ein Grund dafür war möglicherweise, dass sich die Bremer Schwergutschiffe häufig in Seegegenden herumtrieben, die unter Eingeweihten als nicht besonders chic galten – am extrem heißen persischen Golf etwa. Zum Teil monatelange Liegezeiten, schwierige Verproviantierung, fehlende Hafeninfrastrukturen – wer macht das schon freiwillig? Und erst die Frauen! „Am Golf hat man nie welche gesehen, und wenn, dann waren sie verschleiert“, sagt der ehemalige DDG-Betriebsrat Klaus Meyer.

Die Hansa-Fahrer – junge Männer vor allem – müssen sich also für verdammt harte Kerle gehalten haben. Pioniergeist beim Ausloten neuer Routen, Begegnungen mit exotischen Tieren, der Stolz, bis an den Rand beladene Spezialschiffe sicher über die See geführt zu haben – auch das gehört zum Mythos der Reederei mit ihren über 2.000 Seeleuten und Angestellten. Doch auch das Unternehmen an sich war aus Sicht der Belegschaft etwas besonderes: Uniformen hätten auf den Schiffen keine Bedeutung gehabt, und auch zwischen Seeleuten und „Landbediensteten“ habe es keine Berührungsängste gegeben. Doch auch das konnte den Niedergang nicht verhindern: Die Dollarkrise, die islamische Revolution im Iran, interne Probleme und letztlich „das Verhalten der Banken“ haben aus Sicht von Betriebsrat Meyer zum Untergang der einhundert Jahre alten Firma geführt. Die spannenden Geschichten, die damit verbunden sind werden am 6. März beim „Guten Abend“ im Festsaal des Rathauses in Szene gesetzt. Beginn ist um 20 Uhr. Karten gibt's unter den Tel. 6 19 93 39 und 7 37 46. hase