Magere Ausbeute für 100.000 Mark

Der erste Kinder- und Jugendbericht der Hauptstadt, an dem vier Jahre gearbeitet wurde, wird von Fachpolitikern und Jugendgremien heftig kritisiert. Die Daten zeigen keine politischen Handlungsperspektiven auf und sind längst veraltet

von JULIA NAUMANN

Unter welchen Bedingungen leben Kinder und Jugendliche in der Hauptstadt? Welche Probleme gibt es, was muss getan werden? Auf diese Fragen sollte der erste Berliner Kinder-und Jugendbericht eine umfassende Antwort geben. Doch die Untersuchung, die jetzt von Schulsenator Klaus Böger (SPD) veröffentlicht wurde, ist heftig in die Kritik geraten.

In einer Stellungnahme des Landesjugendauschusses heißt es, das Themenspektrum des 850-Seiten-Wälzers sei zwar sehr umfangreich. Jedoch würden fachliche und jugendpolitische Herausforderungen und Perspektiven nicht ausreichend berücksichtigt. In dem Bericht werden zentrale Lebensfelder wie Schule und Kita untersucht, Einstellungen und Orientierungsmuster skizziert und die Jugendhilfe beleuchtet. Aber: „Der Bericht ist unpolitisch“, moniert die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Jeannette Martins. Es sei ein „schönes Nachschlagewerk“, mit der die Fachwelt aber nichts anfangen könne. „Damit kann man keine Politik machen.“ Ihre Kollegin Kerstin Richter-Kotowski von der CDU bezeichnet den Bericht als „mager“.

Tatsächlich gab es bei der Erstellung massive Probleme. Bereits 1997 gab die damalige Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) die Untersuchung, die insgesamt rund 100.000 Mark gekostet hat, bei einer unabhängigen Kommission in Auftrag. Vorsitzender war Jürgen Gries, Professor an der Katholischen Fachhochschule. Beteiligt an der Fertigstellung waren unter anderen Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Jugend und Schule, Vertreter der Jugendhilfe und Studenten. Doch weil kein Konzept für bestimmte Fragestellungen vorgesehen war, wurden lediglich Daten zusammengetragen und interpretiert. Diese sind zudem mittlerweile völlig veraltet – die neusten stammen aus dem Jahr 1997.

Das wird auch in einer Stellungnahme des Senats bemängelt. Dort wird konstatiert, dass die Kommission es nicht einfach hatte, die Materialien zusammenzutragen, und vielfach keinen Zugang zur Jugendhilfe und den entsprechenden Politikfeldern bekam. Im Klartext: Die Mitarbeiter haben häufig nur spärliche Auskünfte bekommen. Deshalb verzögerte sich der Bericht, so dass er erst im vergangen Jahr im Mai an den Jugendstaatssekretär Frank Ebel übergeben werden konnte. Erst jetzt hat sich Schulsenator Böger (SPD) öffentlich dazu geäußert. Auch er kritisiert, dass die Zahlen- und Datenlage angesichts der dynamischen Entwicklung Berlins nur eine „begrenzt nutzbare Basis“ biete. Doch sieht er auch viele von ihm gesetzte Schwerpunkte bestätigt.

Die Untersuchung soll jetzt im Abgeordnetenhaus diskutiert werden – und wird dann wohl erneut in den Schubladen verschwinden. Doch damit ist das Thema nicht beendigt. Laut Jugendhilfegesetz muss in jeder Legislaturperiode ein Bericht erstellt werden.

Über die künftige Zielsetzung sind sich CDU und Grüne ausnahmsweise einmal einig. Eines der brennendsten Themen ist der Umgang mit Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache, sagen Jeannette Martins und Kerstin-Richter Kotowski übereinstimmend.