piwik no script img

DER NEUE US-VERTEIDIGUNGSMINISTER POWELL ZU BESUCH IM NAHEN OSTENNichts geht ohne die Amerikaner

Der als Außenminister unerfahrene Colin Powell hat sich bei seinem Antrittsbesuch im Nahen Osten mit unerwarteter diplomatischer Bravour aus jeglicher Affäre gezogen. Den Israelis signalisiert er Verständnis für ihr Sicherheitsbedürfnis; und mit den Palästinensern zeigt der Neue im Amt Mitgefühl, wenn sie ihre Opfer zu Grabe tragen und unter wirtschaftlicher Not leiden. Beide Seiten beobachteten die Premiere der Bush-Administration auf nahöstlichem Boden mit Argusaugen. Nur: „Which side are you on?“ war die Frage, die Powell mit Eleganz unbeantwortet ließ.

In den Vereinigten Staaten hat sich in den vergangenen zehn Jahren ganz augenscheinlich nicht allzu viel verändert. Wieder regiert ein Bush im Weißen Haus, wieder wird Bagdad bombardiert und wieder solidarisieren sich die Palästinenser mit dem irakischen Volk, an dessen Führer Saddam Hussein sie einst so große Hoffnungen knüpften und es offenbar noch immer tun. Und doch herrscht heute eine ganz andere Situation: Anfang der Neunziger ebneten westliche Luftangriffe den Weg nach Madrid, nachdem der PLO, die sich mit ihrer pro-irakischen Haltung selbst ins internationale Abseits lanciert hatte, kein Ausweg mehr blieb. Heute erschweren es die amerikanischen Bomben gegen Irak den Vereinigten Staaten, als glaubwürdiger Vermittler zwischen den beiden Konfliktparteien aufzutreten. Jeder weitere Angriff gegen Saddam Hussein ist in den Augen der Palästinenser ein Freundschaftssignal der Amerikaner an Israel, dem der irakische Präsident jüngst wiederholt mit Angriffen drohte.

Die Palästinenser, die mit dem brennenden Bild des neuen amerikanischen Außenministers durch die Straßen laufen, scheinen ihre Lektion nicht gelernt zu haben. Wer, wenn nicht die Amerikaner, könnte in ihrer derzeitigen Not denn Abhilfe schaffen? Wer verfügt denn über den notwendigen Einfluss und den vorauszusetzenden Willen, wenn nicht der große Bruder in Washington? Die neue US-Regierung will wie ihre Vorgängerinnen weiter die Schlüsselposition bei künftigen Nahost-Friedensverhandlungen einnehmen. Für die Konfliktparteien zwischen Mittelmeer und Jordan ist das ein Grund zum Aufatmen.

Selbst die schärfsten Kritiker der Nahostpolitik von Expräsident Bill Clinton haben keine Alternative zur US-amerikanischen Vermittlung im Angebot. Es ist richtig, dass Clintons Vermittlungsanstrengungen bis zur letzten Minute keine konkreten Ergebnisse brachten. Aber: In guten Zeiten konnten Palästinenser und Israelis allein vorankommen. Unter den gegebenen Bedingungen wären sie hoffnungslos verloren, wenn die Amerikaner ihnen den Rücken zukehrten. SUSANNE KNAUL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen