: Lockruf der Wirtschaftsflüchtlinge
Hauptstadt Berlin wirbt vor allem um die Hamburger Medienleute ■ Von Peter Ahrens
Welt am Sonntat – auf jeden Fall. Bild.de ebenfalls. Universal – vielleicht. Der gesamte Springer-Verlag – erst einmal nicht. Vom Sog ist die Rede, vom Lockruf der Hauptstadt. Im Wochentakt werden Gerüchte gestreut, Meldungen in Umlauf gebracht. Gerüchte und Meldungen über Firmen, die in Hamburg einpacken und in Berlin wieder auspacken. Der Standortwettbewerb ist nach dem Regierungsumzug ausgebrochen. Hamburg – eine Stadt der Abwandernden? Wirtschaft, Senat und Handelskammer bleiben erst einmal gelassen.
Wenn über Umzüge gesprochen wird, dann redet man zuerst und immer wieder über die Medienbranche. „Da müssen wir in der Tat drauf achten“, sagt Bernd Meyer, der Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Berlin ist attraktiv für die Medienleute geworden. Seit zum Beispiel der neue Vorstandschef Matthias Döpfner beim Axel-Springer-Verlag das Sagen hat, wird mit schöner Regelmäßigkeit über einen Umzug des Verlages spekuliert. Döpfner hat das selbst zunächst dementiert, doch die CDU „hört bereits alle Alarmglocken läuten“, wie ihr medienpolitischer Sprecher, Jürgen Klimke, sagt. Die Gefahr eines schleichenden Wegzugs sei nicht von der Hand zu weisen, sagt Klimke, nachdem bekannt gegeben wurde, dass die Online-Redaktion der Bild-Zeitung und die Welt am Sonntag ihre Zelte in Hamburg abbrechen werden.
„Hamburg ist bis zum Mauerfall einfach keinen Wettbewerb gewohnt gewesen“, versucht der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, zu relativieren. Das sei jetzt anders geworden und aus Kammer-Sicht gar nicht so verkehrt: „Wettbewerb führt dazu, dass man sich auf die Hinterbeine stellen muss.“ Was ihn ärgert: Berlin wird immer noch von der EU massiv unterstützt, „die haben Sonderkonditionen, die heute längst nicht mehr berechtigt sind“. Wenn Unternehmen sich in Berlin ansiedeln, können sie mit bis zu 30 Prozent Zuschüssen aus Brüssel rechnen.
Auch ein Argument, das den Musikkonzern Universal bewegen könnte, umzuziehen. Hamburg rollt den roten Teppich aus und hilft aktiv mit, eine neue Immobilie für den Verwaltungssitz von Universal zu finden. Ende März will sich das Medien-Unternehmen entscheiden. Schmidt-Trenz sagt vorsichtshalber schon einmal: „Umzugsentscheidungen sind nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss.“ Schon manche Firma, die weggezogen sei, klopfe jetzt wieder hier an.
Das Argument, das die HamburgerInnen betonen, um Abwanderungsängste unter der Decke zu halten: Hamburg und Berlin sollen sich als eine Groß-Region betrachten und kooperieren. Von einer „Verzahnung als eine Region im europäischen Rahmen“ spricht zum Beispiel der Chef der Hamburgischen Landesbank, Alexander Stuhlmann. Für Bernd Meyer nur begrenzt nachvollziehbar. Man könne sicherlich gemeinsam auftreten, wenn man sich in den USA international präsentiert, „aber am Ende wird man immer Konkurrenz bleiben“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen