Angeklagte im Toros-Prozess freigelassen

■ Wendung im Prozess um Vergewaltigung im Imbiss / Staatsanwältin und Nebenklägerin kritisieren Freilassung / Kammer bezweifelt die Glaubwürdigkeit der Zeugin

„Der Haftbefehl gegen die beiden Angeklagten wird aufgehoben.“ Diese Entscheidung hat gestern die Erste Große Strafkammer des Bremer Landgerichts getroffen. Zwei Angeklagte, denen vorgeworfen wird, im Keller des Viertel-Imbiss Toros eine Studentin vergewaltigt zu haben, verließen das Gericht als freie Männer. Sie hatten eine Vergewaltigung bestritten; erst nachdem DNA-Spuren den jüngeren Angeklagten belasteten, hatte dieser Geschlechtsverkehr eingeräumt – der aber einvernehmlich stattgefunden habe.

In einer ausführlichen Begründung erläuterten die Richter ihre Freilassungs-Entscheidung. Sie hätten aufgrund von Zeugenaussagen während des sechswöchigen Prozesses Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin entwickelt. Auch habe sich die Frau widersprochen. Unklar sei, wie sie in den Keller gelangte. Ungeklärt auch, wie sie mit nur wenigen Bier auf über zwei Promille Alkohohl im Blut kam. Wesentliche Fragen habe die Studentin, die als Nebenklägerin auftritt, nicht aufklären können. Ein dringender Tatverdacht, der allein Haft rechtfertige, sei nicht mehr gegeben. Die Angeklagten saßen seit Juli in U-Haft.

Die 29-Jährige nahm die Entscheidung der Richter still auf. Das überwiegend weibliche Publikum im Saal zeigte sich dagegen empört, so dass der Richter mehrmals zur Ruhe mahnte. Eine Beschwerde der Staatsanwältin gegen die Freilassung – „Ich habe keinen Zweifel, dass die Zeugin die Wahrheit sagt“ – lehnte das Gericht ab. Staatsanwältin Piontkowski hatte betont, dass die Zeugin sich in den wesentlichen, die Vergewaltigung betreffenden Aussagen nie widersprochen habe. Sie kritisierte zugleich, dass die Richter verschiedene Beweisanträge, die Anklage und Nebenklage am Vormittag gestellt hatten, nicht gewürdigt haben, bevor sie auf Freilassung entschieden.

Die Beweisanträge der Anklage sollten vor allem belegen, dass im Umfeld des Imbiss Toros sexuelle Anmache und Bedrohung häufiger vorkämen. So sollte eine Frau geladen werden, die im Januar von jetzigen Angestellten des Imbiss bedroht und ihr Freund geschlagen wurde, nachdem sie zwei Kunden abhielt, im Toros zu essen. Auch sollte eine benachbarte Gastwirtin geladen werden, der gedroht worden sein soll, in ihren Regalen „bleibe keine Flasche stehen“, wenn sie anonyme Plakate, die auf die angezeigte Vergewaltigung hinwiesen, weiter dulde.

Tatsächlich war gestern erstmals das Umfeld der Angeklagten stärker ins Blickfeld der Verhandlung geraten. Aus benachbarten Imbissen waren Zeugen geladen – die vor allem deutlich machten, dass sie nicht das geringste Interesse hatten, die Ermittlungen in dem Fall zu unterstützen. Wer in seinem Laden am fraglichen Morgen hinterm Tresen stand, wisse er nicht, gab ein Chef zu Protokoll. „Die Listen zerreiße ich immer.“ Aufgebracht allerdings zeigte er sich, weil die Polizei ausgerechnet an einem Freitagabend bei ihm vorfuhr, um eine Speichelprobe einzufordern. Auch der 18-jährige Sohn des benachbarten Taco-Wirts gab an, sein Vater – zur Tatzeit im Urlaub – habe ihm geraten, sich vor allem ums Geschäft zu kümmern. Das hat der junge Mann getan. Im Gerichtssaal gestern mochte er nicht einmal die Aussagen wiederholen, die er einst vor der Polizei gemacht hat – wonach ein Mitarbeiter ihm berichtet hatte, zur Tatzeit zwei Personen im Keller gesehen zu haben, „die sich an den Schultern hielten“.

Er habe Angst vor den Angeklagten, sagte der junge Mann. Auf eindrigliche Fragen der Richter, welchen konkreten Anlass es gebe, blieb er eine Erklärung aber schuldig. Dass die Staatsanwältin – als die Sache schon 50 Minuten vor den Angeklagten erörtert worden war – den Antrag stellte, die Angeklagten aus dem Raum zu bringen, blieb inhaltlich ergebnislos. ede