Kein Herz für Tiere im Mittelmeer

Naturschutzstiftung WWF prognostiziert noch mehr Urlauber. Einschränkung des Billigtourismus gefordert

BERLIN taz ■ Manchmal führt die Tourismusindustrie sogar Georg Schwede in Versuchung. Kürzlich blätterte der Deutschland-Geschäftsführer der Umweltschutzstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) im Reisekatalog: eine Woche Bayerischer Wald mit vier Stunden Bahnfahrt für 450 Mark oder eine Woche Tunesien mit zwei Stunden Flug für 350 Mark. „Da grübelt man schon“, gesteht Schwede. Aber am Ende sei er zu dem Dumpingpreis nicht nach Tunesien geflogen.

Er will Vorbild sein. „In den Billigreisen sind die volkswirtschaftlichen Umweltschäden des Massentourismus nicht mit eingerechnet“, sagt Schwede. Gestern stellte er anlässlich der morgen beginnenden Internationalen Tourismusbörse in Berlin eine Studie über die Entwicklung des Mittelmeerraumes vor. Fazit: Bis zum Jahr 2020 könnte die Zahl der jährlichen Touristen am Mittelmeer auf 350 Millionen wachsen. „Das entspricht einer Steigerung von 57 Prozent“, sagt Studienautor Peter DeBrine vom WWF-Mittelmeer-Büro, der anhand der Entwicklung der vergangenen Jahre die Hochrechnung aufgestellt hat. Jeder vierte Reisende käme aus Deutschland.

Um die Natur im wichtigsten Reisegebiet der Welt zu erhalten, müsse die touristische Erschließung bestimmter Mittelmeerregionen eingeschränkt werden bis hin zum Baustopp. Dreizehn Gebiete stuft DeBrine als besonders gefährdet ein. Dazu gehören die Balearen, die tunesisch-algerische Küste und die dalmatische Küste vor Kroatien.

Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalter Verband wollte zu den Zahlen auf Anfrage gestern nichts sagen. „Wir können die Prognosen weder bestätigen noch dementieren“, sagte eine Sprecherin. Ilias Galamos von der griechischen Zentrale für Fremdenverkehr findet die Zahlen gewagt. So rechne sein Land wie im Vorjahr nicht mit Wachstum, sondern mit gleich bleibenden Touristenströmen. „Und für den Umweltschutz verpflichten wir die Hotels seit zwei Jahren, Kläranlagen einzubauen.“

Laut Schwede ist es in einigen Regionen fast zu spät. „Über fünfhundert Pflanzenarten im Mittelmeergebiet sind vom Aussterben bedroht.“ In Griechenland habe der Tourismus die Brutgebiete der Meeresschildkröten gestört. Schwede appelierte besonders an die Deutschen, ihr Umweltbewusstsein bei Reisen nicht zu Hause zu lassen. DeBrian forderte ein Umdenken der Veranstalter: „Die Branche muss lernen, die Naturparadiese zu schützen, von denen sie abhängt.“ RALF GEISSLER