Entertainment nicht ohne Verletzlichkeit

■ Im Gepäck der Pudels-Gala: Der Kölner Justus Köhncke im Schauspielhaus

„House ist eine Basis, von der du überall hin kannst“, resümierte einmal Justus Köhnckes Bandkollege Eric D. Clarke. Als die beiden zusammen mit dem ehemaligen Spex-Redakteur Hans Nieswandt das Kölner House-Kollektiv Whirlpool Productions bildeten, puzzelten sie ihre Musik nicht aus den naheliegenden Soul- und Discosamples. Stattdessen hatten sie unter dem Deckmantel des House Prefab Sprout-, Joni Mitchel- und John Cale-Fragmente eine neue Geschichte erzählen lassen. Und die verband die Images eines überdrehten Glamour- und Disco-Revivals mit den für House untypischen Sounds von Akustikgitarren. Dazu wurde ein Gesang addiert, der die korrekte Tonlage gern um Haaresbreite verfehlte.

Zwei handfeste Hits („From Disco To Disco“, „Cold Song“) landeten Whirlpool Productions mit dieser Rezeptur. Und es war ausgerechnet in Italien, dem glamourversessenen Land von Gucci und Armani, wo das deutsche Intellektuellen-Trio wie Popstars der Michael Jackson-Liga gefeiert wurde: In einer Fußballstadien angemessenen Menge rückten hochfrequent kreischende Fans zu ihren Auftritten an.

Doch es blieb beim Kurzurlaub auf dem Pop-Olymp, denn das Spiel mit Jet-Set-Images sollte dann doch lieber ein Spiel bleiben. In einem Interview äußerte Köhn-cke den sympathischen Satz, dass er vorziehe „auf möglichst unentfremdete Weise“ sein Geld zu verdienen – und legte im Karrieremotor fortan einen niedrigeren Gang ein: zurück zu Anfängen.

Und diese begannen in der experimentierfreudigen Kölner Musikszene, wo sich Köhncke einen Namen als Veranstalter schrankenloser DJ-Mix-Abende gemacht hatte: Von kauzigen Reggaenummern über die Beatles bis zum hedonistischen Italo-House war dort alles erlaubt. Bei Whirlpool Productions ein wenig im Schatten des schrillen Clarke stehend, gilt vielen nun Köhnkes Solowerk Spiralen der Erinnerung als geheimes Meisterwerk eines unterschätzten Exzentrikers.

Ausschließlich aus Coverversionen von Beatles-, Neil Young-, Velvet Underground- und HildegardKnef-Stücken bestehend, versucht Spiralen der Erinnerung den Brü-ckenschlag zwischen großen Songs der Siebziger und elektronischen Sounds der Jetztzeit. Köhnckes Live-Auftritte verbinden auf einzigartige Weise Entertainment mit Verletzlichkeit. Neben den Künstlern aus dem Umfeld des Hamburger Pudel Klubs und ihrem transzendentalen Humor auf der x-ten Metaebene, bringt der Showman-At-Heart Köhncke nun große Gesten und Gefühle zurück auf die Tagesordnung. Kurz: ein Glamourboy von nebenan. Nils Michaelis

Sonnabend, 22 Uhr, Deutsches Schauspielhaus, zusammen mit Schorsch Kamerun, Rocko Schamoni, Erobique, Jacques Palminger, Peaches, Jan Delay, 8doggymoto, Viktor Marek Band, Superpunk (nur noch Restkarten)