Konzerne gegen billige Pillen

39 Pharmaunternehmen klagen in Südafrika gegen die Zulassung von preisgünstigen Aids-Medikamenten. Sie sehen ihre Patentrechte verletzt. Die Regierung begründet ihre Politik mit dem Aids-Notstand. Das Land hat die höchste Ansteckungsrate

aus Johannesburg KORDULA DOERFLER

Wenn heute 39 internationale Pharmakonzerne in Südafrika vor Gericht gehen, um die Zulassung von billigeren Medikamenten zur Aids-Bekämpfung zu verhindern, ist ihnen weltweite Aufmerksamkeit gewiss. Denn der Prozess hat weit über die Grenzen Südafrikas hinaus Bedeutung, auch wenn er ein wenig an den ungleichen Kampf von David gegen Goliath erinnert.

Der Fall: Schon vor vier Jahren hat die südafrikanische Regierung – damals noch unter Nelson Mandela – ein Gesetz erlassen, um so genannte Generika und Parallelimporte zuzulassen: Medikamente, die die gleichen Wirkstoffe enthalten, aber nicht unter ihrem Markennamen zugelassen werden und damit nur noch einen Bruchteil kosten oder billiger unter ihren Markennamen aus dem Ausland importiert werden können. Behandelt werden sollten damit vor allem Armuts- und Mangelkrankheiten wie TBC, Durchfälle und Cholera. Die internationale Pharmaindustrie aber blockierte das Gesetz zunächst jahrelang per einstweilige Verfügung, weil sie ihre Patentrechte verletzt sieht. Von heute an klagen nun die Konzerne, darunter auch Tochterfirmen von Boehringer Ingelheim, Merck und Schering gegen die Gesetzgebung.

Stieß die Regierung bei der Ausarbeitung des Gesetzes noch auf wenig Sympathie selbst im eigenen Land, hat sie mittlerweile namhafte regierungsunabhängige Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und Oxfam auf ihrer Seite, die weltweit zu Protesten aufgerufen haben. „Was hier am Montag passiert, wird eines der wichtigsten Ereignisse in Afrika sein“, prophezeit der Vorsitzende der Treatment Action Campaign (TAC), Zackie Achmat, einer NGO, die seit Jahren für billigere Medikamente kämpft. „Dieser Prozess zeigt die Scheinheiligkeit der pharmazeutischen Industrie“, kritisiert auch Justin Forsyth von Oxfam. „Sie spricht davon, den Zugang zu Medikamenten zu erleichtern – aber nur zu ihren Bedingungen.“

Anders noch als vor vier Jahren, hat Südafrika heute einen Aids-Notstand und rechtfertigt damit die Gesetzgebung sozusagen noch einmal im Nachhinein. So wird es auch in dem Prozess vor allem um die Zulassung von billigeren Aids-Medikamenten gehen, die kaum ein Südafrikaner bezahlen kann. Südafrika hat heute mit geschätzten 4,3 Millionen HIV-Infektionen die höchste Ansteckungsrate der Welt. Eine ganze Generation der zwischen 15- und 30-Jährigen wird in den nächsten zehn Jahren wegsterben. Allein im vergangenen Jahr waren es vermutlich mehr als 250.000. Auf Afrika südlich der Sahara kommt nach Einschätzung der UNO eine Aids-Katastrophe von fast unvorhersehbarem Ausmaß zu. Anders als in den Industrienationen wird Aids dort heterosexuell übertragen und tötet bereits jetzt zehn Mal mehr Menschen als Bürgerkriege und Naturkatastrophen.

Eine Behandlung mit den derzeit in den Industrieländern gängigen so genannten Aids-Cocktails aber kann sich in Afrika nur die Elite leisten. Schon seit Monaten fordern deshalb die afrikanischen Regierungen und NGOs in aller Welt, die Preise für Medikamente zu senken und gleichzeitig endlich verstärkt nach einem Impfstoff zu forschen – Themen, die auch die Welt-Aids-Konferenz in Durban im vergangenen Jahr beherrschten.

Auch die Pharmaindustrie bewegte sich angesichts des öffentlichen Drucks. Fünf Konzerne boten Südafrika eine Preissenkung um bis zu 80 Prozent für Aids-Cocktails an. Der Regierung, die die enormen sozialen Ungleichheiten aus der Apartheid-Zeit geerbt hat, aber ging das noch immer nicht weit genug. In der neuen demokratischen Verfassung wurde allen eine bessere Gesundheitsversorgung versprochen. „Selbst mit einer solchen Preissenkung sehen wir nicht gewährleistet, dass die Bedürfnisse der Mehrheit der Südafrikaner angesprochen werden“, so Ayanda Ntsaluba, Staatssekretär im Gesundheitsministerium. „Wir bedauern, dass der Fall nun vor Gericht ist, wollen aber dieses Stück Gesetzgebung mit allen Mitteln verteidigen.“