Kunst am linken Ufer
: Es ist so weit: Neustadt ent-art-et

■ „pro art e.V.“, die Kunst-Ini vom Neustädter Bahnhof, die stets ohne Staatsknete hinkam, muss aufgeben

Mitte der 80er ging das Gründungsfieber durch Bremen: belladonna, Blaumeier, Modernes, taz. 1989 sprang es auf die Neustadt über. Im Café Paganini dachten sich ein paar Kunstinteressierte „Dart spielen kann nicht alles im Leben (und in der Kneipe) sein“ und hängten in regelmäßiger Folge Bilder an die Wand – und wieder ab. Im Februar 1990 rottete man sich mit diversen anderen Neustädter Miniatur-Initiativen zusammen zwecks Erhöhung der Schlagkraft und gründete „pro art e.V“. Nach elf Jahren werden an diesem Sonntag die letzten Bilder im Neustädter Bahnhof abgehängt. Schade.

Über die Ursachen des Ablebens gibt es zwei Erzählvarianten. Die eine stammt von Joachim Bieber, einem der Gründungsmitglieder, lange Zeit Geschäftsführer und über die Jahre hinweg geistiger Vater der Galerie, die andere vom letzten Geschäftsführer. Nach Darstellung Biebers und des Co-Liquidators Bohling hat der seit Juni 1999 agierende neue Geschäftsführer Vorstand und Mitglieder lange Zeit in falscher Sicherheit gewiegt und viele schöne teure Einladungen gedruckt.

Als dann aber die AOK fehlende Beiträge für die zwei BSHG-19-Stellen von pro art anmahnte, sichtete man die Finanzlage – und musste feststellen, dass es nichts mehr zu retten gab: Die akuten Schulden seien von 11.700 auf 33.800 Mark angestiegen. Außerdem waren die Lohnabgaben nicht bezahlt, woraufhin die Werkstatt Bremen im September 2000 ihre BSHG-19-Stellen abzog. Pro art hatte zuletzt etwa 60 Mitglieder, und darunter fanden sich immer vier oder fünf Menschen, die unentgeltlich die Öffnungszeiten absaßen. Ohne die festen Stellen aber ging nichts mehr. Im November entschied sich deshalb die Mitgliederversammlung notgedrungen für die Auflösung, Joachim Bieber mit wilder Trauer im Herzen.

Der letzte Geschäftsführer hingegen meint, dass der Verein schon vor seiner Amtszeit kurz vor dem Aus stand. Der Rettungs-versuch sei dann aufgrund interner Streitereien schließlich gescheitert.

Auf den ersten Blick könnte man sagen: Na typisch, diese Misswirtschaft unter alternativen Ini-Leuten. In Wahrheit aber hat man es pro art niemals leicht gemacht. Die Räume im Bahnhof waren unbeheizbar und vier Jahre strampelte man sich ab, um die Deutsche Bahn zu bewegen, diesen Zustand abzustellen, vergeblich. So etwas zermürbt. Irgendwann musste das schief gehen.

Pro art hat nie eine müde Mark aus dem Kulturressort gesehen. Doch wurde der Verein vom Beirat Neustadt überaus geschätzt und mit Projektgeldern so gut es ging unterstützt. Beiratssprecherin Susanne Martens bedauert sein Hinscheiden sehr, weil pro art „hohen Zuspruch innerhalb der Bevölkerung“ genoss und die bürgerhauslose Neustadt sowieso schon kulturell eher unterversorgt ist.

Das Ausstellungsprogramm von pro art war sympathisch, oft bunt, oft gegenständlich, nicht immer avantgardistisch und gar nicht elitär. Auch so genannte Unstudierte durften hängen. Oft steckte dahinter ein soziales, politisches, manchmal auch ein therapeutisches Ansinnen. Man lud indianische Künstler zum Kollektivmalen und beteiligte sich an dem die ganze Stadt durchdringenden Projekt „Do all oceans have walls“. Hans-Joachim Manske von der Städtischen Galerie: „Es ist immer schade, wenn eine Einrichtung schließt, die sich für junge Kunst engagiert.“ Muss man eben wieder Dart spielen in der Neustadt.

bk