Die Familien-GmbH

■ Wenn Beruf und Familie nicht ausbalanciert sind, schadet das auch den Unternehmen / Ein professioneller „Familien-Service“ bietet Hilfe an

Großunternehmen sind keine Wohltätigkeitsorganisationen, und wenn sie trotzdem soziales Engagement für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen, hat das meistens handfeste Gründe. Früher dienten Arbeitersiedlungen als Schutzwall gegen den Kommunismus . Inzwischen gehen die Interessen der Dienstleistungs- und Industrieunternehmen in eine andere Richtung: Haben die Mitarbeiter – Frauen wie Männer – Probleme damit, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, so wird befürchtet, gehen Motivation und teures Knowhow flöten. Die bundesweit operierende Familien-Service GmbH („Ihr Partner für mehr Mitarbeitereffizienz“) hilft den Betroffenen, ihre „work-life-balance“ wieder herzustellen – und die Arbeitgeber zahlen dafür.

Beispiel Kraft foods in Bremen. Der Konzern, der an der Weser 1.200 Menschen beschäftigt, hat im vergangenen Jahr erstmals die Dienste der 1991 auf Initiative von BMW gegründeten Firma in Anspruch genommen. Diese bietet „Beratung zu fast allem, was Mitarbeiter belasten kann“: Kinderbetreuung, Altenpflege, Erziehung & Beziehung, Arbeitslosigkeit, Lebenskrisen aller Art. Zum Kernangebot gehört auch die Vermittlung von Tagesmüttern, Kindergartenplätzen, Krabbelgruppen und anderen Betreungsformen. Die Unternehmen – 150 in ganz Deutschland – stellen ein festes Budget zur Verfügung, um die Beratung zu finanzieren. Bei Kraft waren es im Pilotjahr 35.000 Mark – bei 27 ratsuchenden Familien ein relativ hoher Betrag. Wesentlich mehr sollen es laut Kraft auch nicht werden.

„Wir wollten in erster Linie Erziehungsurlauberinnen zurückgewinnen“, sagt Kraft-foods-Managerin Bénédicte Bank, die sich in der hauseigenen AG „diversity“ (Vielfalt) mit dem Thema beschäftigt. Viele der jungen Mitarbeiterinnen würden nach fünf Jahren von der Bildfläche verschwinden, weil sie ein Kind bekommen. Damit ginge der Firma „extrem viel teures Knowhow“ verloren. In Bremen sind Bank zufolge derzeit 110 Frauen im Erziehungurlaub – und ein Mann. 2000 sei es gelungen, fünf Frauen zurückzuholen.

Eine davon ist die 32-jährige Produktmanagerin Kerstin Strubel, Fachgebiet: Kakao. Zehn Monate, nachdem Töchterchen Paula im Dezember 1999 geboren worden war, bekam sie – wie geplant – einen Anruf von ihrer Firma: Ob sie nicht Lust habe, wieder zu arbeiten, Teilzeit. Das Paar – Kerstin Strubels Ehemann ist ebenfalls bei Kraft, Fachgebiet: Milka – hatte drei Wochen Zeit, eine Tagesmutter zu organisieren. Nach ersten erfolglosen Versuchen wendeten sich die beiden an den Familien Service – und ersparten sich so den befürchteten Such-Parcours. Sie sei überrascht gewesen, wie gut die Beraterinnen die in Frage kommenden Tagesmütter gekannt hätten, erinnert sich Teilzeit-Managerin Strubel. Und: „Ich wäre nicht wieder eingestiegen, wenn ich keine geeignete Betreuerin für meine Tochter gefunden hätte.“

Ein reines Frauenthema sei das Service-Angebot jedoch keineswegs, betont Margrit Marquardt vom Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder, dem Bremer Kooperationspartner des Familien-Service. Wie etwa soll ein Paar, bei dem beide an ihrer Karriere feilen, das eigene Heim in Schuss halten? Eine Haushaltshilfe könnte helfen. Andere der – meist verheirateten, meist gut verdienenden – Klienten haben Probleme, die Pflege ihrer eigenen Eltern zu organisieren. Und es gibt Lebenskatastrophen, die urplötzlich den Vater in den Mittelpunkt rücken - wenn die Mutter krank wird oder stirbt. Die Service-Mitarbeiter gehen davon aus, dass Stress in der Familie – wie eine von ihrer Situation genervte Vollzeit-Mutter – Auswirkungen auf alle Bereiche hat . Auch auf den Berufsalltag der Männer.

Es sei wichtig, die Familien als Ganzes zu entlasten, so Beraterin Marquardt, die im vergangenen Jahr 50 Anfragen von Firmen wie Kraft, Siemens, Daimler Chrysler und der Deutschen Bank bearbeitet hat. Die steigende Nachfrage – zu den Interessenten gehören nicht nur Angestellte, sondern auch Schichtarbeiter – erklärt sie sich so: Es gebe immer mehr Frauen, die aus Angst, den Anschluss zu verpassen, früh in den Beruf zurück wollten. Dazu käme die hohe Zahl von Alleinerziehenden und die berufliche Mobilität, durch die die Familienstrukturen weiter zerfasern.

Marquardt ist sich sicher, dass Mitarbeiter das Service-Angebot als besondere Wertschätzung ihrer Person begreifen – mit positiver Wirkung auf die Arbeitssituation. Auch kleinere Unternehmen würdne davon profitieren. Dass dieser pragmatische Ansatz wenig daran ändert, dass es Frauen sind, die in Erziehungsurlaub gehen oder teilzeitarbeiten, findet sie nicht entscheidend, „es ist immer noch besser als gar nichts“. hase