MIT DEM NAPSTER-URTEIL HABEN DIE MUSIKLABELS NUR ZEIT GEWONNEN: Absurde Freude
Wissen Sie eigentlich, was das Bezirksgericht Nordkalifornien der Musiktauschbörse Napster vorgestern verboten hat? Die Musikindustrie reagierte jedenfalls so, als wüsste sie es nicht. Sie freute sich, als seien die Zeiten, in denen sich Internetnutzer kostenlos Musik aus dem Netz laden, nun endlich vorbei. Doch dem ist nicht so. Denn verboten wurde lediglich die Sammlung von Links zu Servern, auf denen Menschen weltweit urheberrechtlich geschützte Musik zum Download anbieten.
Genau das macht Napster: Das Programm durchstöbert die Computer seiner Nutzer nach Musik und stellt die Ergebnisse in einer Datenbank zur Verfügung. Jeder Nutzer kann so bei anderen Musik herunterladen. Weil in dieser zentralen Datenbank auch urheberrechtlich geschützte Titel aufgeführt wurden, hat die Plattenindustrie Napster verklagt und gewonnen – allerdings nur Zeit. Denn längst basteln Programmierer an anderen Systemen, über die ebenfalls Musik getauscht werden kann. Ob Gnutella, Freenet oder Aimster – sie alle werden wesentlich schwerer zu stoppen sein als Napster. Denn sie funktionieren anders.
Die neuen Systeme brauchen keine zentrale Datenbank. Jeder Nutzer hat die Suchsoftware auf seinem eigenen Rechner und erstellt somit eine eigene Kartei von herunterladbaren Musikfiles, wenn er ins Internet geht. Will die Plattenindustrie gegen solche Systeme vorgehen, dann muss sie folglich jeden Nutzer einzeln verklagen. Und genau das dürfte schwer werden. Zwar sind „Peer-to-Peer“-Systeme wesentlich komplizierter als Napster, weil jeder Nutzer mit der Software umgehen können muss. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis Programmierer Wege gefunden haben, auch die neuen Anbieter benutzerfreundlicher zu machen.
Die Freude der Industrie über das Napster-Urteil ist noch aus einem zweiten Grund völlig absurd. Zwar wird die Tauschbörse künftig den Austausch von urheberrechtlich geschützten Titeln verhindern – aber mit dem Gratis-Download wäre es ohnehin im Sommer vorbei gewesen. Im vergangenen Jahr hat sich die Bertelsmann-Gruppe Anteile an Napster gesichert. Ab Juni dieses Jahres soll der Austausch von Musik dort kostenpflichtig sein. Für jeden Musiktitel, der dann über die Napster-Server geladen wird, werden die Urheber Geld bekommen. Dafür müssen die Napster-Fans einen monatlichen Mitgliedsbeitrag zahlen. Ob die Nutzer bis zum Sommer ihrer Tauschbörse die Treue halten, wo sie jetzt dort nur noch schwer an geschützte Titel herankommen, bleibt fraglich. Denn wenn es bis dahin gelingt, die neuen, weiterhin kostenlosen Peer-to-Peer-Systeme benutzerfreundlicher zu machen, wird kaum einer Geld für Napster zahlen wollen. RALF GEISSLER
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