Jeder belauscht den anderen

Echelon-Untersuchungsausschuss: Wirtschaftsspionage lautet heute die Aufgabe gegnerischer Geheimdienste. Da hilft nur die Verschlüsselung der Kommunikation

BRÜSSEL taz ■ Seit dem Ende des Kalten Krieges ist James Bond nicht arbeitslos – im Gegenteil. Wirtschaftsspionage in großem Stil habe die Spitzelei Ost gegen West abgelöst, berichtete der SPD-Abgeordnete Gerhard Schmid gestern in Brüssel nach sechsmonatiger Arbeit des Echelon-Untersuchungsausschusses. Die Geheimdienste machten gar kein Geheimnis daraus, dass sie zunehmend eingesetzt würden, um wirtschaftliche Aktivitäten zu unterstützen. Die Amerikaner betonten allerdings, sie würden ihr Wissen nur nutzen, um Fälle von Bestechung aufzudecken und wettbewerbsschädliches Verhalten zu brandmarken.

„Für uns ist letztlich nicht wichtig, ob die USA von ihrem Wissen Gebrauch machen oder nicht. Wichtig ist, dass sie sich dieses Wissen verschaffen kann. Deshalb müssen die Unternehmen ihre Kommunikation besser verschlüsseln.“ Derzeit belauscht nach Erkenntnis des Echelon-Ausschusses jeder den anderen: Die Franzosen mit ihren Hoheitsgebieten in Übersee sind allerdings die Einzigen, die dafür keinen Bündnispartner brauchen. Die Amerikaner arbeiten mit Australien, Neuseeland und Großbritannien zusammen, um das Satellitennetz flächendeckend abhören zu können. Großbritannien wiederum nutzt seinen Horchposten auf Zypern, um Zugriff auf den Fernmeldesatelliten Arabsat zu haben.

Dass „Big Brother“ letztlich überall seine Finger im Spiel hat, zeigt eine kommissionsinterne Posse, die sich letzte Woche in Brüssel abspielte. Der Kommissionsmitarbeiter Desmond Perkins hatte stolz berichtet, die USA schickten regelmäßig Mitarbeiter der nationalen Sicherheitsagentur, um die EU-Verschlüsselungssysteme zu testen. Bislang hätten sie sie aber nicht knacken können. Die Naivität von Herrn Perkins sei nicht Gegenstand der Echelon-Untersuchung, meinte darauf der Abgeordnete Schmid trocken.

Die enge Zusammenarbeit zwischen US-amerikanischer Sicherheitsbehörde und europäischen Diensten könne aber dem Aufbau eines eigenständigen europäischen Verteidigungskonzepts im Weg stehen. Dafür fehlt aber derzeit ohnehin das Geld.

DANIELA WEINGÄRTNER