zwischen den rillen
: Soloalben verdienter Indiegötter

Dem Leben abgetrotzt

Das ist Erfolg: „Californication“, die letzte Platte der Red Hot Chili Peppers, befindet sich seit bald zwei Jahren immer in irgendwelchen Charts und hat mittlerweile mehr als ein halbes Dutzend Hitsingles produziert.

Das ist auch ein Erfolg: John Frusciante, Gitarrist der Red Hot Chili Peppers, veröffentlicht mit „To Record Only Water For Ten Days“ eine Soloplatte und ist noch am Leben. „You don't throw your life away“ ist die erste Zeile, die Frusciante mit krächzender Stimme singt; sie stammt aus einem Song namens „Going Inside“. Diesen Beginn darf man ruhig programmatisch verstehen. Nach schwerer Heroinsucht, Ausstieg bei und Rückkehr zu den Peppers, Depressionen und Entzügen wurde dieses dritte Solowerk zwar auch ganz allein mit Gitarre, Sampler und Rhythmusmaschine aufgenommen, ist aber im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern kein egomanisch trippendes Experiment, sondern eine Bekenntnisplatte im besten Sinne.

Die locker-flockigen Gitarrenriffs, die Frusciante sonst zu den Millionensellern der Chili Peppers beisteuert, werden nur manchmal angespielt. Meistens lässt Frusciante sein Instrument zwischen Folk-Picking und Rock-Purismus auf die Suche nach dem Allernotwendigsten gehen, was zu einer seltsam disparaten Grundstimmung führt. Auch wenn Frusciante längst auf dem Wege der Besserung ist, wackelt sein dünnes Stimmchen in Songs wie „In Rime“ doch ganz herzerweichend, wenn es erzählt vom Leben, das es erst einmal zu leben gilt, bevor man ans Sterben denken sollte.

Dies hier ist die depressive Hälfte der manischen Red Hot Chili Peppers, die Paranoia, die dem kalifornischen Traum innewohnt. Wenn man Frusciante hört, kann man spüren, warum der demonstrative Optimismus seiner Band mitunter so panisch klingt. Trotzdem: „To Record . . .“ ist weit mehr als erfolgreiche Therapie. Aus der spartanischen Produktion, aus den sparsamen Gitarren und altertümlichen Beats schälen sich einige wunderschöne Melodien, die von einer Wahrhaftigkeit künden, wie sie wohl nur solche Platten haben können.

Wahrhaftigkeit war noch nie das Geschäft von Nash Kato. Und das ist, auch wenn der ehemalige Mastermind von Urge Overkill ebenfalls sein Päckchen zu tragen hatte, weiterhin so. Urge Overkill, von der Kritik für das intelligente Zitieren von Rock-Klischees gepriesen, wurden von ihrer Plattenfirma wegen kommerzieller Erfolglosigkeit und wohl auch wegen übermäßigem Kokainkonsum gefeuert und lösten sich auf.

Auf seinem ersten Soloalbum „Debutante“ nun versucht Kato nach fünf Jahren Sendepause die Zeit zurückzudrehen. Posiert ganz in Weiß, die dünnen Häarchen länger als in den 80ern, die Sonnenbrille noch eine Nummer größer, und singt davon, wie es ist, in den 80er-Jahren geboren zu sein. Dazu spielt er wieder mal seinen spröden Rock, der ekstatisch tut, aber eigentlich immer ein wenig traurig ist. Spielt seinen eckigen Rhythm & Blues, der soulig sein will, aber immer leicht gefaket klingt.

Leider hat sich die Selbstironie früherer Tage mittlerweile eher in eine pomadige Selbstzufriedenheit verwandelt. „Debutante“ ist eine gute klassische Rockplatte, aber das Problem ist: Klassischer Rock steht heute nur mehr für Langeweile.

Dritte Platte, dritte große Vergangenheit: Russell Simins war bei den Honeymoonkillers, bevor er als Schlagzeuger der Jon Spencer Blues Explosion mithalf, den New Yorker Noise neu zu erfinden. Doch im Gegensatz zu unseren anderen beiden Helden hat Simins als Remixer für Bands wie Stereolab oder Asian Dub Foundation immer Anschluss an die Jetztzeit gehabt, und als Mitglied der Blues Explosion von vornherein den avanciertesten Zugang zur Gegenwart von Rock.

Prompt hört sich sein Solodebut „Public Places“ an wie ein gut sortierter Gemischtwarenladen. Krachender Hardrock neben cool schnippendem Pop und folkigem Geklimper, träger HipHop hinter psychedelischen Lärmattacken und lustigen Elektronikexperimenten: Die bunten Bonbons bleiben aber meist fein säuberlich getrennt in ihren Packungen, als wollte Simins seine Sicherheit im Umgang mit den einzelnen Stilen beweisen.

Nun hat „Public Places“ zwar den Beigeschmack einer Ansammlung von Fingerübungen. Aber immerhin ist jede einzelne Fingerübung ein klasse Song, und die Liebe zur Postmoderne geht nicht so weit, als dass Simins nun um jeden Preis fusionieren möchte, was vielleicht besser doch getrennt bliebe. So gesehen hat er sich für eine abgeklärte Grundhaltung entschieden, wie sie Frusciante und Kato erst dem Leben abgerungen haben.

THOMAS WINKLER

John Frusciante: „To Record Only Water For Ten Days“ (WEA)Nash Kato: „Debutante“ (Will Records / D-Track / Connected)Russell Simins: „Public Places“ (Grand Royal / Labels / Virgin)