Kann man Militanz kochen?

Warum nicht rohe Gewalt?, fragte die taz zum Frauentag. Zwei Frauenforscherinnen antworteten. Mit zunehmender Emanzipation steigt auch die Gewaltbereitschaft

BERLIN taz ■ Hass gegen „infame Zustände“ ja, Gewalt nein, so der Bescheid der TU-Professorin Thürmer-Rohr am Mittwochabend, als Moderatorin Bascha Mika nach emanzipatorischen Impulsen weiblicher Gewalt fragte. Die taz hatte geladen, ins Verborgene Museum, um nach der ausufernden Militanzdebatte der Männer zum Internationalen Frauentag mal eine Gewaltdebatte der Frauen anzuzetteln.

Taugt Lara Croft als Rollenmodell? Wie weit reicht heute, wo es in den Medien vor bösen Mädchen nur so wimmelt, noch das Bild der „friedfertigen Frau“, das Margarethe Mitscherlich einst zeichnete? Dieser Mythos gehöre nicht weiter verbreitet, sondern aufgelöst, so die einhellige Meinung. Erstens, so Christina Thürmer-Rohr, weil solcherlei Differenzen die Frauen zu einer Gruppe der „Anderen“ zusammenklopfe, die sie in all ihrer Heterogenität einfach nicht seien. Zweitens, so die zweite Podiumsteilnehmerin, die Psychologin Tamara Musfeld, sei die Realität eine andere. Die Gewalt von Frauen sei weniger öffentlich, aber vorhanden: Die Heerschar der Mütter, die ihre Kinder verprügelten, werde unter dem „Schleimfilm“ des Friedfertigkeitsmythos begraben.

Auch habe die neuere historische Forschung unerwartete Szenen aus der NS-Zeit zutage gefördert, so Thürmer-Rohr. Frauen von SS-Leuten etwa, die im KZ vom häuslichen Balkon aus Häftlinge erschossen: Die Frau, wenn entfesselt, ist grausam wie der Mann. Schon jetzt mehrten sich die Meldungen über die steigende Kriminalität von Mädchen, nehme man die größer werdende Gruppe rechter – und gewaltbereiter – Frauen deutlicher wahr. „Gewalt kann man nicht als Geschlechterproblem kritisieren“, so Thürmer-Rohr, „kritisieren muss man die Gesellschaft, die menschenverachtende Ideologien produziert.“

Gewaltfantasien hätten Frauen ebenso wie Männer, stellte Musfeld klar, projiziert werden diese nur – von beiden – meist auf Männer. Über die Liebe zum gewalttätigen Mann, der ihre Fantasien auslebt, werden Frauen zu Mittäterinnen, lautet eine alte These Thürmer-Rohrs, die gewalttätige Frau bleibt die Ausnahme. Auch deshalb sei Valerie Solanas, deren hyperaggressiver Feminismus im Schuss auf Andy Warhol gipfelte, immer noch ein Faszinosum, vermutete Moderatorin Bascha Mika, taz-Chefredakteurin. Aus Freude am Hass, nicht an der Gewalt, sei sie begeistert gewesen von Solanas’ „Society for Cutting up men“, bekannte Thürmer-Rohr.

Für Gewalt als emanzipatorisches Mittel sprach sich nur einer der etwa 80 Anwesenden aus – ein Mann. Gewalt müsse erst mal roh sein, bevor sie gekocht genossen werden könne, sie wirke nicht nur individuell befreiend, sondern auch als notwendiger Anstoß gesellschaftlicher Veränderung. Aber nicht mit Thürmer-Rohr: Männliche Militanzverherrlichung kenne sie aus den 70er-Jahren zur Genüge – dem massiven Einspruch der Frauen sei es zu verdanken, dass Schläger wie Joschka Fischer damals die Kurve kriegten und sich einer Partei zuwandten, die einst „gewaltfrei“ auf ihre Fahnen schrieb. HEIDE OESTREICH