In der Zauberbox

■ Was tun, wenn man mit 26 fast alles erreicht hat? Der Existenzgründer André Tülp muss es wissen: Für 650.000 Mark hat er seine Diplomarbeit als Designhaus realisiert

Irgendwann, sagt André Tülp, kommt seine Internet-Adresse aufs Dach. Schön groß, damit sie auch aus den Jets, die atemberaubend niedrig über sein künftiges Büro fliegen, zu erkennen ist. Tülp, 26, ist so etwas wie der Überflieger unter Bremens Existenzgründern: In der nächsten Woche eröffnet er im Gewerbegebiet Arsterdamm ein „haus für design und architektur“, in dem er leben und arbeiten wird. Das 650.000-Mark-Projekt, das der Bremer in Eigenregie realisiert hat, ist das Ergebnis seiner Architektur-Diplomarbeit an der FH Hannover – die einmal nicht „für die Tonne“ konzipiert wurde, sondern inzwischen konkrete Wirlichkeit ist. Nur die Teppiche fehlen noch.

Am Mohrenshof, Haus Nummer 11a. „Planer und Bauherr André Tülp“, steht auf dem Baustellen Schild. Direkt daneben: die Adresse seines Elternhauses. Dort hat der junge Architekt, gleich zu Beginn seines Studiums im Jahr 1996, eine kleine Werbeagentur aufgemacht. Und hat, wenn er nicht gerade in Hannover war, T-Shirts bedruckt, Außenwerbung durch den Plotter gejagt und anderes, womit sich nebenbei Geld verdienen ließ. Die Kellerfirma – 20 Quadratmeter, ein Fenster, Name: „Artex“ – wurde mit den Jahren immer professioneller und lukrativer, und das war vermutlich auch der Grund, warum Tülp überhaupt eine Chance hatte, 650.000 Mark und ein geeignetes Grundstück aufzutreiben. Sein Traum: Ein Gebäude, in dem Architekten – Tülp wird ein eigenes Büro gründen –, Designer und Multimedialeute zusammenarbeiten. Mit preiswertem Büroraum und genug Platz für ein „Wohnstudio“, wie er die 120 Quadratmeter für sich und seine Freundin nennt.

Noch vor Beginn des Diploms schaute sich der Gründer-in-spe in Bremen um, wer ihm bei seinen Plänen behilflich sein könnte. „In der Anfangszeit haben die sich ein bisschen schwer getan“, erinnert sich Tülp an seine ersten Kontakte mit der Wirtschaftsförderung – er sei halt branchen-unüblich jung gewesen. Inzwischen erklingen in den Büros der Bremer Investitions-Gesellschfaft (BIG) wahre Lobgesänge über die Qualitäten des 26-Jährigen, der ein 1.200-Quadratmeter-Grundstück zur Verfügung gestellt bekam. Ein Bänker in Habenhausen entdeckte zudem seine Leidenschaften fürs Gründen und stellte die Finanzierung auf die Beine. Im Mai 2000 war Baubeginn am Mohrenshof, ein knappes Jahr nach Abschluss des Diploms.

Es ist schon fast unheimlich, mit welcher Zielgenauigkeit Tülp – eine jungenhafte Erscheinung im unvermeidlichen Schwarz-Grau seiner Zunft, die Eltern MTA und Bundeswehr-Beamter – seinen bisherigen Weg verfolgt hat: Fachoberschule für Gestaltung in Bremen, ein Intermezzo bei den Fallschirmspringern, Studium in acht Semestern, parallel dazu die Werbeaktivitäten. Und dann erst der Bau eines Hauses: Entwurf, Detailplanung, die Statik, Kostenkalkulation, Ausschreibung, Bauleitung, Behörden ... „Ich wollte mir meine Visitenkarte bauen“, sagt Geschäftsmann Tülp. Und: Er hofft, dass die Kammer ihn nun offiziell als Architekten anerkennt – was erst nach zweijähriger Berufserfahrung geht. Als angestellter Jung-Architekt, mit minimalem Gehalt, die eigene Firma aufgegeben – das sei keine Alternative gewesen.

Wie sein eigenes Planungsbüro sich etablieren wird, ist noch ungewiss. Fest steht indes, dass das „haus für design und architektur“ ein ordentliches Aushängeschild sein wird. Denn der 400-Quadratmeter-Bau sieht aus, wie es sich für ein neues Gewerbegebäude gehört: Kubisch mit viel Glas, das in Gestalt vertikaler Fensterbänder, kleinerer Schlitze oder auch haushoher Formate die Fassade gliedert. Dazu Sichtbeton im Innern, ein einsehbares Foyer, freistehende Stahltreppen, Fenster aus Alu und Ahorn. Alles in dezenten Grautönen und Weiß. Dieses Gebäude, das einer großen Box ähnelt, hat laut Tülp rund 200.000 Mark weniger gekostet als üblich – unter anderm, weil er selbst die Bauleitung hatte. Und, um das Bild des ultimativen Existenzgründers noch zu toppen: Die Türzargen streicht Tülp auch selbst. hase