Effektiver malochen in Tegeler Knast

Nachdem es mit der Produktion im Männerknast Tegel immer mehr bergab ging, ist nun Innovation angesagt: Die anstaltseigenen Betriebe sollen zukünftig nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten produzieren

In Berlins größtem Männergefängnis, der Justizvollzugsanstalt Tegel, sind Veränderungen geplant: Die anstaltseigenen Betriebe, in denen ein Teil der Gefangenen arbeitet, sollen ihre Angebotspalette verfeinern und nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten produzieren.

Die Realität sieht derzeit noch ganz anders aus. Der Tegeler Knast, der über 1.536 Haftplätze verfügt, ist mit rund 1.700 Gefangenen überbelegt. Für die Gefangenen gibt es nur 1.000 Arbeitsplätze, die dementsprechend begehrt sind.

Dass in den Betrieben Handlungsbedarf besteht, haben nun auch die Verantwortlichen erkannt. In einem anstaltsinternen Arbeitspapier wird darauf hingewiesen, dass eine Umstrukturierung der Arbeit überfällig ist, weil die aus der Beschäftigung der Gefangenen erzielten Einnahmen in den letzten Jahren stetig zurückgegangen sind. 1997 beliefen sich die Einnahmen noch knapp über eine Millionen Mark. 1999 waren es nur noch 865.933 Mark. Der Betrag für die Leistungen, die für andere Behörden des Landes Berlin erbracht worden ist, ist ebenfalls um rund drei Millionen zurückgegangen. Das liegt unter anderem daran, dass die Behörden nunmehr die Rohstoffe für die von der Anstalt gelieferten Regale, Schränke und andere Büromöbel zahlen sollen.

Die angespannte Haushaltslage Berlins tut ein Übriges. Dringend notwendige Investitionen in Maschinen und Material der anstaltseigenen Betriebe werden immer wieder verschoben, weshalb hohe Reparatur- und Wartungskosten anfallen.

Die Firma Imaka unter der Leitung von Achim Kindler soll nun betriebswirtschaftliches Denken in den Knast bringen, die Produktionsstätten durchleuchten und dann Verbesserungsvorschläge machen. „Wir wollen nicht mehr ausschließlich die öffentliche Verwaltung oder die Beschäftigten der Haftanstalt beliefern, sondern mit unseren Produkten an die Öffentlichkeit gehen“, stellt Kindler fest.

In der Vergangenheit kam es vor, dass die Häftinge sich mit Kugelschreiber-Zusammenschrauben oder ähnlich sinnreichen Arbeiten beschäftigten. Das soll vorbei sein. Zwar stecken die Insassen auch heute noch gelegentlich Schnellhefter zusammen oder sortieren den Müll der Anstalt. Doch die stellvertretende Anstaltsleiterin Evelyn Benne verkündet entschlossen: „Die Betriebe müssen flexibler organisiert und die Arbeiten anspruchsvoller werden.“

Die Senatsverwaltung für Finanzen unterstützt die Neuorganisation, indem sie der Haftanstalt gestattet, ihren Haushalt eigenverantwortlich zu verwalten. Als Konsequenz der neu gewonnen Eigenständigkeit ist an die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung der Anstaltsbetriebe gedacht.

An neuen Vermarktungsideen scheint es der stellvertretenden Anstaltsleiterin nicht zu mangeln: „Vielleicht kann die Wäscherei ja Hemden für die vom Flughafen Tegel abfliegenden Manager bügeln?“ Zunächst aber hat Kindler „erst einmal alle Betriebe mit einem Faxgerät ausgestattet“. Auch die zentrale Ressourcenverwaltung sei abgeschafft worden. Ein Teil des Materialhaushaltes werde jetzt von den Werkstattmeistern verwaltet. „Die Betriebe können durchaus für den regulären Markt produzieren“, erklärt Kindler, damit könne auch geworben werden.

Die Insassen allerdings spüren bisher wenig von dem neuen Geist: „Die Beamten erzählen viel, wenn der Tag lang ist“, stellt ein Häftling sarkastisch fest.

RICHARD RABENSAAT