Kreischen, brummeln, hüsteln, krächzen

■ Wie vielseitig kann eine einzelne Stimme sein? Und wer erregt so viele Kreischer wie Britney Spears? Rufus Beck las Harry Potter – im voll besetzten Theater am Goetheplatz

„Kawumm“, „Zoink“, „Betuuuniaaaa“, schreit Tante Magda, die zu Besuch gekommen und soeben ins Haus gepoltert ist. Die ZuschauerInnen halten sich die Ohren zu. Dann wieder Stille, sprachloses Staunen, als der zornige Zauberschüler Harry Potter die nervende dicke Tante aufgehen lässt wie einen Hefeteig.

Rufus Beck bläst die Wangen auf, macht grunzende Geräusche und deutet mit schwungvollen Gesten den derzeitigen Körperumfang der trampeligen Tante an. Das Publikum ist begeistert, besonders die Hälfte, die sich in der Pause mit Weingummis und Eis vollgestopft hat und dann, nach der Lesung, gleich ins Bett geschickt wird.

„Ich lese jetzt die Geschichte Tante Magdas großer Fehler“, kündigt Schauspieler und Lesekünstler Rufus Beck an. In den Zuhörerreihen wogt ein Kreischen, als hätte soeben Britney Spears höchstpersönlich die Bühne im Goethetheater betreten. Es muss also nicht immer ausgefeilte Pyrotechnik oder Schockierend-Widerwärtiges sein, um das Publikum in Rage zu versetzen. Manchmal genügt ein nicht vorhandenes Bühnenbild in Schwarz, ein kleiner abgegrabbelter Holztisch, ein wirrer Haufen von kopierten Textstellen und Rufus Beck.

Der spitzgesichtige Schauspieler mimte schon im Kinohit „Der bewegte Mann“ so überzeugend und liebenswert die schlacksige Tunte Walter, beziehungsweise Waltraud, dass man ihn einfach mögen muss. Am Sonntagabend im Theater am Goetheplatz las er im voll besetzten Saal die Geschichten von Harry Potter – und lief zu neuer Höchstform auf.

Er schnodderte und piepste, plapperte auf Kölsch, säuselte fronsösiisch, brummte und krächzte, dass so mancher in den Taschen nach Salbeibonbons kramte. Er bediente die ganze Bandbreite zwischen wildem Gestikulieren, apathischem Glotzen und düpierter Elégance, wie zum Beispiel beim Auftreten der Madame Maxime. Unglaublich, dass ein Mensch innerhalb von 20 Minuten in rund ein Dutzend unterschiedliche Charaktere schlüpfen kann. Und das ohne Perücke und Verkleidung.

„Ich wollte mal was Unseriöses machen“, erklärte Rufus Beck sein Potter-Engagement. „Sonst muss man bei Lesungen immer nur so leicht zitieren.“ Deshalb hatte Beck die obligatorische randlose Literaten-Brille zum kritischen Drüberlugen am Sonntag zu Hause gelassen. Potter-Texte sind für ihn Partituren. Mit Melodie, Rhythmik, Stimmung.

Schade ist bei dieser Lesetour nur eines: Dass es gerade der nicht enden wollende Harry-Potter-Hype sein muss, den Comedian Rufus Beck mit seiner Kunst auch noch weiter am Brodeln hält. spo