Bremen-Colombo: „Emergency“

■ Tamilische Flüchlinge protestieren gegen ihre Abschiebung mit Passersatzpapieren, während Sri Lankas Präsidentin Kumaratunga in Berlin mit den Spitzen der Bundesregierung diniert

Thmothram Kumaar kommt aus dem Kriegsgebiet im Osten Sri Lankas. Immer wieder liefern sich die Guerilleros der Liberation Tigers of Tamil Eelam in seiner Heimat heftige Gefechte mit der Regierungsarmee. Und immer wieder gerät die Dorfbevölkerung zwischen die Fronten. Mehrmals wurde Kumaar von den Sicherheitskräften verhaftet, denn hier ist jeder Tamile der Kollaboration mit den Rebellen verdächtig.

Vor sechs Jahren gelang ihm und seiner Frau die Flucht nach Bremen, nachdem er 22.000 Mark Schmiergeld für einen Reisepass bezahlt hatte. Arbeiten konnte der gelernte Goldschmied in Bremen zwar nicht, aber wenigstens in Sicherheit leben. Vor drei Jahren bekam das Paar sogar eine eigene Wohnung und konnte das Flüchtlingswohnheim verlassen.

Nun sind die Kumaars in Sorge, dass alles wieder von vorn losgeht. Thmothrams Asylantrag wurde abgelehnt. Und vor kurzem wurde er von der Ausländerbehörde vorgeladen. Dort musste er einen Antrag auf einen „emergency passport“ unterschreiben. Wenn der einmal ausgestellt ist, ist er sofort ausreisepflichtig – wenn ihn nicht das noch laufende Asylverfahren seiner Frau schützt. Wenn Kumaar mit dem Passersatzpapier in Sri Lanka einreist, droht ihm erneute Verfolgung.

Inhaber von emergency pass-ports sind leicht als rückkehrende Flüchtlinge zu erkennen und werden auf dem Flughafen von Colombo routinemäßig verhaftet, berichtet Markus Saxinger vom Internationalen Menschenrechtsverein. Dort wird dann ein Verfahren wegen illegaler Ausreise eingeleitet – nach der Logik, wer heute keinen Pass hat, kann bei der Ausreise auch keinen gehabt haben. Die Verfahren werden in der Regel eingestellt, jedoch kommen während der Haft häufig Beschuldigungen wegen Terrorismus hinzu. Die Haftentlassung kann häufig erst von Verwandten durch Bestechung erwirkt werden.

Kumaar hat keine Verwandten in Colombo und fürchtet deswegen endlose Schikanen. Amnesty international berichtet von Tamilen, die nach ihrer Abschiebung aus Deutschland im Gefängnis miss-handelt und später mangels gültiger Ausweispapiere immer wieder verhaftet wurden. In Nordrhein-Westfalen, wo bundesweit die meisten Tamilen leben, gab es deswegen zwischenzeitlich einen Erlass des Innenministeriums, keine emergency passports mehr zu verlangen. Bedingung: Die abgelehnten Asylberwerber müssen nachweisen, dass sie sich um die – langwierigere – Ausstellung eines regulären Passes bemühen. Der Erlass wurde allerdings inzwischen wieder aufgehoben.

In Bremen werden tamilische Flüchtlinge weiterhin aufgefordert, die gefährlichen Dokumente zu beschaffen. Aber wer sich parallel „nachweislich“ um einen richtigen Pass bemüht, bekommt eine „angemessene“ Frist gewährt, erklärt Innenressort-Sprecher Markus Beyer. „Zwei bis drei Monate“ könnten das sein, heißt es auf Nachfrage – für manche der zurzeit rund 30 Betroffenen Bremer Tamilen reicht das, für andere nicht. Denn die Ausstellung dauert oft vier Monate. Manchmal nimmt Sri Lankas Botschaft den Antrag auch gar nicht an.

Kumaar hat noch eine andere Hoffnung: Die auf eine politische Lösung des seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkriegs in seiner Heimat. Heute begann der viertägige Deutschland-Besuch von Sri Lankas Premierministerin Chandrika Kumaratunga, die bei einem Attentat selbst ein Auge verlor. Kumaar wird deshalb mit anderen Bremer Tamilen vor dem Bahnhof demonstrieren – für die von der norwegischen Regierung vorgeschlagene politische Lösung des Konfliktes und gegen Abschiebungen ins Krisengebiet.

Jan Kahlcke