Bloß nicht zu fein für „Bild“

Christliche Publizistik in der Diskussion: Beim 50. Geburtstag der Evangelischen Medienakademie wird auch leise Kritik heruntergebetet

Der Festsaal erwies sich als zu klein, etliche Gäste mussten die Reden im neuen Berliner Domizil in einem Nebenraum verfolgen: Mit so viel Interesse hatte die Evangelische Medienakademie wohl nicht gerechnet.

Doch das Motto der Grußworte war schnell klar: Über das Geburtstagskind nur Gutes. Etwa wie prächtig sich die Medienakademie entwickelt habe seit dem ersten „Orientierungskurs praktischer Journalismus“ 1950 in Bad Boll. Engagierte Theologen und Journalisten gründeten damals die Christliche Presse-Akademie cpa – damit die Publizistik nie wieder eine solch unrühmliche Rolle spiele wie im „Dritten Reich“. 1988 wurde die cpa erweitert und umbenannt in Evangelische Medienakademie. Dass es in der jüngsten Vergangenheit kräftig gebollert hat, konnten die Gäste lediglich bei Hans Norbert Janowski, Geschäftsführer des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), heraushören. Die Kirche habe die Zeichen der Zeit erkannt, lobte er – und fügte hinzu: „nach den Turbulenzen der letzten beiden Jahre“. Wie, Turbulenzen? Erst hatten die Evangelen ihr traditionsreiches, aber teures Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt eingestellt. Dann wollte das GEP seiner 1995 eröffneten Evangelischen Journalistenschule den Geldhahn abdrehen.

Der Zeit und der SZ liegt jetzt ein Kirchen-Magazin bei, das erst Chrisma hieß und jetzt Chrismon. Und in der Hauptstadt haben am 1. März wieder 16 angehende Journalisten eine Ausbildung begonnen.

Für „Professionalität und ethischen Anspruch im Journalismus“ wolle sich die Schule einsetzen, hieß es bei der Gründung. Diesen Anspruch konkretisierte Johanna Haberer, Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, später bei einer Gesprächsrunde: „Wie evangelisch muss evangelische Publizistik sein?“ Im Blick hatte sie dabei nicht nur Kirchenzeitungsschreiber, sondern alle evangelischen Journalisten. Die sollten sich einmischen, wenn es ums Klonen gehe oder um aktive Sterbehilfe. Oder um Selbstachtung: Als die Privatsender jüngst Millionäre verheiraten wollten, hatten Journalisten bei der Rundfunkbeauftragten angeklopft: „Was meint denn die Kirche dazu?“

Was Haberer von christlichen Journalisten erwartet, klingt modern: Keine Kirchenpropaganda, sondern kritische Loyalität. Außerdem einen Diskurs unterschiedlicher Religionen und Kulturen. Das alles will Haberer allerdings nicht nur in der Zeit oder der FAZ lesen: „Christliche Journalisten dürfen sich nicht zu fein sein, auch für Bild zu schreiben.“ Hauptsache, sie „reflektieren ihren Glauben“ dabei auch schön. ALEXANDER KÜHN