Dosenlobby kämpft

Ernährungsindustrie fürchtet Einbußen, wenn eine umweltgerechtere Erzeugung die Preise steigen lässt

BERLIN taz ■ „Soll man den Rotkohl etwa selber vom Bauern holen statt aus dem Glas im Supermarkt?“, fragte Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) gestern auf der Jahrespressekonferenz der Vereinigung. Seine Empörung richtet sich gegen eine im Bundeskanzleramt angedachte Werbekampagne. Mit einer solchen Aktion, deren Planung noch in den Anfängen steckt, sollen Verbraucher für eine gesunde Ernährung mit weniger Fertigprodukten, weniger Fastfood und weniger Zucker gewonnen werden.

  „Das wäre eine Bevormundung der Verbraucher“, schimpft Horst. 70 Prozent der landwirtschaftlichen Erzeugnisse landen derzeit in verarbeiteter Form beim Kunden – Tendenz steigend. Wenn mehr Frisches auf den Tisch käme, würde das die Lebensmittelindustrie mit 555.000 Beschäftigten empfindlich treffen.

Auch gegen mögliche Preiserhöhungen bei umweltgerechterer Erzeugung von Fleisch, Getreide und Gemüse macht die Ernährungsindustrie Front. „Dann sind wir international nicht mehr wettbewerbsfähig,“ warnte der BVE-Vorsitzende Peter Traumann. Denn gerade durch das Umsatzplus von 10 Prozent bei den Exporten hat die Branche zugelegt. Die Exporte innerhalb und außerhalb der EU machten im vergangenen Jahr rund 18 Prozent des Gesamtumsatzes von 235 Milliarden Mark aus. Im Jahr 2000 erlebte die Ernährungsindustrie nach zwei Jahren negativer Entwicklung ein deutliches Umsatzplus von 3,2 Prozent.

Dennoch hat die BSE-Krise auch die Lebensmittelindustrie tief erschüttert. Seit Dezember letzten Jahres ging der Umsatz von Rindfleisch um 67 Prozent zurück, der von Fleisch insgesamt um ein Viertel. Wurst wurde um ein Zehntel weniger verkauft. Zahlreiche Betriebe mit insgesamt rund 12 000 Beschäftigten hätten bereits Kurzarbeit angemeldet, einige hätten ganz aufgeben, berichtet Traumann. Dagegen sind Milchprodukte so gefragt, dass die Industrie derzeit unter „Engpässen bei der Rohmilchbeschaffung“ leidet. „Es wird Gewinner- und Verliererbranchen geben. Aber über die gesamten Auswirkungen haben wird noch keinen Überblick“, resümiert Traumann.

Er begrüßte Maßnahmen wie das Verbot von BSE-Risikomaterial in Fleisch- und anderen Produkten und der Tiermehlfütterung. Mit Stellungnahmen zu den beiden geplanten Qualitätssiegeln für Öko- und konventionell erzeugte Produkte, die Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) angekündigt hat, hält sich die Branche zurück. „Wir müssen erst einmal sehen, was dahinter steckt. Aber es darf nicht passieren, dass Produkte ohne Siegel abqualifiziert werden, denn sie erfüllen ja auch die Auflagen der Lebensmittelgesetze“, warnte BVE-Geschäftsführer Matthias Horst. BEATE STRENGE